Archiv der Kategorie: Buch

Buchkritik zu Sean Brummel: Einen Scheiß muss ich

Der amerikanische Erfolgscoach Sean Brummel hatte 2015 einen riesigen Erfolg mit seinem Selbsterfahrungsbuch „Do whatever the fuck you want – The ESMI principle“ besonders mit der deutschen Version, die von Tommy Jaud aus dem amerikanischen erfunden wurde.

Brummel ist aufgefallen wie viel man eigentlich immer im Leben erledigen muss. Denken Sie nur an die Neujahrsvorsätze: jetzt müssen wir mehr Sport machen, gesünder essen, etc. Das laden wir uns zusätzlich auf,  denn die „Du musst“ Ansprüche der Anderen bleiben bestehen. Wir müssen die Garage aufräumen, noch das Geschirr spülen, etc.

Jetzt mal etwas ernster. Dem Kult-Comedy-Autor Tommy Jaud ist eine wunderbare Persiflage auf die vielen Selbsthilfe-Bücher gelungen. So weit, so gut. Und dabei ist auch Plädoyer gegen das ewige „Du musst“ entstanden. Mir persönlich hat das Kapitel über Erfolg am Besten gefallen.

Einstiegsdroge Job

Das Buch mag eine Persiflage sein. Aber es bringt unterschwellig interessante Gedanken auf: Unser Job ist eine Droge. Man kann das an den Kriterien für Suchtverhalten festmachen:

  • Dosissteigerung: (Sie arbeiten immer mehr)
  • Kontrollverlust: (es gelingt Ihnen nur kurz oder gar nicht, die Arbeitszeit zu begrenzen)
  • Entzugserscheinungen: (es treten körperliche Symptome auf, wenn der Zugang zum Arbeitsplatz unterbrochen wird)
  • Toleranzentwicklung: (Sie können mehr und mehr arbeiten)
  • Ersatz für soziale Kontakte: (statt Ihre Freundschaften zu pflegen, weichen Sie lieber auf den Job aus)
  • Falsche Freunde: (Sie umgeben sich vermehrt mit Leuten, die ebenfalls einen Job haben)
  • Gesundheit: (trotz sichtbarer negativer Folgen behalten Sie Ihren Job)

Zitat aus dem Buch

Ich betreue auch Klienten, deren beruflicher Erfolg nicht mehr gesehen wird (neudeutsch: low performer). Und auch wenn Mitarbeiterbeurteilungen überwiegend subjektiv sind, so kann sich doch irgendwann das Umfeld so geändert haben, dass man selbst ein Teil des Problems ist, es aber nicht erkennt. Und dann wirkt die Droge Job tatsächlich so wie oben beschrieben. Natürlich hat man auch Ängste um den sozialen Abstieg – selbst dann, wenn man noch keine einzige Bewerbung geschrieben hat – oder dann ganz besonders. Es ist dieses Klammern an den aktuellen Job in faktisch aussichtsloser Lage, der mich immer wieder erstaunt. Und wieviel Kraft diese Sucht binden kann, die man anderweitig viel effizienter einsetzen könnte (beispielsweise bei Bewerbungen oder anderen Alternativen).

Fazit: Nicht immer alles „müssen“

Wer sich selbst erwischt, weil er unter Druck steht vor lauter Verpflichtungen, der sollte sich diese einmal der Reihe nach alle Aufgaben aufschreiben:

Ich muss noch …

Und dann Muss-Satz für Muss-Satz durchgehen und darüber nachdenken: Warum eigentlich? Und vielleicht schreibt man dann hinter einigen Sätzen einfach: ESMI. Einen Scheiß muss ich.

Positive Psychologie oder die Lehre vom Glück?

Als Martin Seligman Präsident der APA (American Psychological Association) wurde, da war er nur ein Psychologe, wie es viele andere gibt. Sicher kein Unbekannter, denn diese Organisation wählt sicher keinen Unbekannten aus ihren Reihen zum Präsident und vor allem nicht mit der größten Mehrheit, die je bei einer Wahl zum APA Präsidenten abgegeben wurde. Was ihn dann aber bekannt machte, war eine Überlegung zum Thema Heilung in der Psychologie.

Ist jemand traurig, dann diagnostiziert der Psychologe eine Depression. Ist dann der Heilungsprozess erfolgreich, dann ist die Traurigkeit weg. Aber was ist dann? Dann ist da die große Leere. Was wollte der Patient eigentlich ursprünglich? Etwa glücklich sein?

Wie unterstützt die Psychologie eigentlich den Weg zu mehr Zufriedenheit? Und: was denn eigentlich ein wünschenswerter Zustand? Diese Fragen löste eine Reihe von Untersuchungen aus. Dabei geht es vornehmlich nicht den „pursuit of happiness“ der amerikanischen Verfassung zu erfüllen. Es geht dabei um Gesundheit jenseits der simplen Abwesenheit von Schmerz oder „Fehlfunktion“.

Zu Anfang wurde dieser Zustand schlicht mit Happiness umschrieben und im Deutschen wurde daraus die Lehre vom Glück. Aber diese Worte sind bis zur Bedeutungslosigkeit überfrachtet. Glück oder Zufriedenheit ist schwer zu greifen.

Heute redet man eher von Positivity (Barbara Fredrickson) oder von Flourish (Martin Seligman). Das ist natürlich weiterhin sehr schwammig. Und das ist sicher auch das große Manko, dieser Forschungs-Richtung.
Die positive Psychologie, wie sich diese Richtung nennt, gibt Methoden vor und belegt dann die Veränderung. Das geht zunächst mal über subjektive Messung des eigenen Wohlbefindens mittels standardisierter Fragebögen (z. B. Wie fühlen Sie sich in einer Skala von 1 bis 10?). Es gibt einige Langzeituntersuchungen, die eine subjektiv positiv empfundene Grundhaltung mit einem längeren und gesünderen Leben korrelieren. Eine positive Grundeinstellung geht auch einher mit einem stabileren Immunsystem. Vereinzelt hat man auch einzelne Blutwerte mit einer positiven Denkweise korreliert. Ein hundertprozentiger Nachweis ist, wie immer in der Medizin, nur schwer nachweisbar.

Folgendes kann man aber zusammenfassend über die Forschungsergebnisse der Positiven Psychologie aussagen:

  1. Positives Denken und Handeln macht Menschen subjektiv zufriedener
  2. Ein weitergehender Nutzen für die Gesundheit ist belegbar
  3. Positives Denken und Handeln ist erlernbar

Zu 1. Positives Denken und Handeln macht Menschen subjektiv zufriedener: Diese Erfahrung kann man ganz leicht nachvollziehen. Dazu benötigt man idealer Weise ein Schreibheft. Und am Abend am besten vor dem Einschlafen 3-5 Minuten Zeit. Auf eine Seite schreibt man zunächst drei tolle Erlebnisse des Tages in Kurzform (kurzer Satz oder Stichworte). Diese Erlebnisse können auch sehr kurz sein („Das Lächeln der Kassiererin an der Supermarktkasse). Man findet immer drei solcher Ereignisse. Als zweites begründet man kurz, was an diesem Ereignis für einen persönlich so entscheidend war („Ich habe mich über das Lächeln sehr gefreut“). Wer das regelmäßig jeden Abend 6 Wochen macht, der wird bemerken, wie diese Übung sein Leben zunehmend beschwingt.

Zu 2. Ein weitergehender Nutzen für die Gesundheit ist belegbar: Hier kann ich auf die Literaturliste am Ende des Blogs verweisen.

Zur 3. Positives Denken und Handeln ist erlernbar: In den Büchern finden sich jede Menge kleiner Übungen wie den oben beschriebenen 3 positiven Ereignissen (bei Seligman: 3 Blessings) mit denen man seine Grundhaltung stärker in einen positiven Bereich bringen kann.

Das bedeutet in logischer Konsequenz, dass es sich lohnt eine positive Denkweise anzugewöhnen und zu trainieren. In diesem Sinne empfehle ich einige dieser Übungen meinen Klienten.

Ich freue mich auf eine rege Diskussion auf Facebook.

Buchkritik: Diagnose: Übergewicht – Die Weise Methode abzunehmen – Dr. Joachim Weise

Heute möchte ich in meinem Blog ein kleines, aber feines Buch von Dr. Weise Diagnose: Übergewicht – Die Weise Methode abzunehmen besprechen. Dr. Weise ist kein Freund der vielen Worte. Sein Duktus in dem Buch ist eher, der einer klaren Ansage. Das beginnt schon auf der ersten Seite, die den Einsparwert des vielen Essen beleuchten soll, mit der provokativen Frage, abzuschätzen wie viele Tage Einsparung beim Essen den Preis des Buches wettmachen.

Das Buch ist kein Lesebuch. Es ist ein Anweisungsbuch. Dr. Weise hält nicht viel von einer Externalisierung von Schuld. Natürlich haben sich die Essgewohnheiten angepasst und leider an die falsche Esskultur: dem Fastfood (Studie entlarvt steigenden Fast-Food-Konsum). Aber wir werden ja nicht zwangsernährt. Wir werden zu dieser falschen Ernährung verführt. Aber dazu gehören immer Zwei. Neben dem Verführer, die Lebensmittelindustrie mit Ihrem Etikettenschwindel (Verbraucher küren Milch-Schnitte-Kampagne zur Top-Werbelüge) gibt es noch den Verführten, also wir, die auch einfach mündig „Nein!“ sagen können.

Dr. Weise sieht zwei Erfolgsfaktoren des Abnehmens: mentale und körperliche Aktivität. Die mentalen Aktivitäten sind Disziplin und Akzeptanz (wenn es mal an der Disziplin hapert). Die körperliche Aktivität beruht auf der Bilanz zwischen Einfuhr und Ausfuhr und Verbrauch. Beim Thema Einfuhr bindet er geschickt den Partner mit ein, der ein typisches Tagesprotokoll der Nahrungsaufnahme und der Bewegung bestätigen oder korrigieren soll. Damit will Dr. Weise erst mal ein ehrliches Ess- und Bewegungsverhalten festhalten. Und damit kann man sich selbst eine klare Diagnose stellen. Wo esse ich wann zu viel? Wo ist versteckte Kalorienzufuhr, die ich selbst nicht wahrnehme? Wieviel bewege ich mich wirklich?

Das Abnehmen beginnt laut Dr. Weise im Kopf. Und damit deckt sich das Buch mit dem auch von mir in meinem Blog so beschriebenen Zusammenhang (Fasten im Kopf). Was dem Buch hier an zusätzlicher mentaler Kraft als Ergänzung noch fehlt, wäre die Motivation beispielweise durch etwas wie: „Stellen Sie sich vor wie es ist mit xx kg. Schreiben Sie diese Gedanken auf. Lesen Sie diese Motivation regelmäßig durch.“ Dr. Weise emfiehlt da nur das eine Mittel, es morgens laut auszusprechen: „Ich will abnehmen!“ Und auch das hat schon gewirkt.

Und so wirkt das Buch auch durchgängig sehr klar, was das Thema Bilanz angeht. Je stärker die Energiedichte unsere Nahrung hat (kleine Menge und viel Nährwert (kcal)), desto mehr muss man das meiden. Dazu finden sich in dem Buch ein paar handfeste und klar formulierte Beispiele, Tipps und Hinweise. Das erinnert mich an mein eigenes Konzept, mit dem ich in den letzten 6 Monaten 6 Kilo abgespeckt habe: beim Essen nicht kasteien, sondern bewusst machen, wie es anders auch gehen kann. Salate und Fischgerichte sollte man am besten mit Lust essen und nicht nur wegen dem Abnehmen.

Mehr Bewegung ist auch wichtig. Da hat Dr. Weise keine besonderen Vorgaben. Einfach mehr machen. Und die blöde Ausrede, man habe dazu keine Zeit, ist eben blöde Ausrede. Das Tagesprotokoll ist die Waffe, mit der man das veränderte Ernährungs- und Bewegungsverhalten dokumentiert und durchsetzt. Ehrlich mit sich selbst zu sein ist die schonungslose Devise dieses Buches. Und wer seine Daten gerne genauer erfassen mag, den verweise ich auf die Fooddatabase.

Fazit:

Das Buch ist ein klares Sachbuch ohne Firlefanz. Langatmige Dramatisierungen, die den Erfolg belegen sollen, findet man in diesem Buch nicht. Braucht es auch nicht. (Braucht es eigentlich in keinem Sachbuch!) Selten findet man auf den Seiten ein schonungsloses Beispiel der eigenen Selbsterfahrung von Dr. Weise. Und nur als Beispiel (Ausfühlhilfe) für das Tagesprotokoll. Ansonsten gibt es ein klare, sachliche Ansage.

Die Pharma-Industrie wird dieses Buch nicht lieben. Ich liebe es wegen seiner klaren, präzisen Sprache. Gewichtsreduktion ist ein bewusster Vorgang und beginnt im Kopf. Und diese Buch kann man gerne, wenn man den Inhalt mental akzeptieren kann, als Gedächtnisstütze immer mal wieder schnell durchlesen. Die Protokolle am Ende benötigt man zum Abnehmen ja sowieso.

Ach ja: Lohnt sich das Buch? Wenn man sich zweimal das Fastfood verkneifen kann, dann hat man das Geld gespart, dass diese kurze und bündige Denkhilfe kostet. Am besten dann das Buch neben der Waage legen – als Nachschlagewerk: Diagnose: Übergewicht – Die Weise Methode abzunehmen – eine Kaufemfehlung.