Nehmen wir mal an Sie haben es eilig, wollen zu U-Bahn und müssen noch eine Straße überqueren und kurz bevor sie die erreichen geht die Fußgängerampel auf Rot. Es eigentlich kein Auto weit und breit. Missmutig drücken Sie die Anforderung für den Fußgänger und dann dauert es …
Kognitive Dissonanz
Die Unstimmigkeit im Gehirn, den Sie jetzt erleben, nennen die Wissenschaftler eine kognitive Dissonanz. „Nicht bei Rot gehen“ und „Ich habe es eilig“ streiten sich und die zweite Fraktion bekommt weitere Unterstützung: „Es sieht ja keiner“ – „Vor allem sind keine Kinder in der Nähe – also beliebt die Vorbildfunktion intakt“ usw.
Und wenn Sie dann bei Rot rüber sind startet ein mächtiges Programm im Kopf. Es trägt den Titel „Selbstrechtfertigung“. „Diese Ampel ist hier völlig unnötig!“ – „Zumindest um diese Zeit!“ und etwas später kommt dann noch „Diese falsch konzipierte Ampel ist Schuld dass mir die U-Bahn davon gefahren ist!“ – „Man sollte sich beim Straßenbauamt beschweren.“ – „Oder eine Anzeige wegen Nötigung gegen den Aufsteller dieser Ampel erstatten“.
Selbstrechtfertigung
Wir können mit Unstimmigkeiten auf Dauer nicht leben. Irgendwann entscheiden wir uns und dann hilft uns das Programm der „Selbstrechtfertigung“ wieder mit uns ins Reine zu kommen. Das ist sehr praktisch. Es sorgt dafür, dass wir die Entscheidung für uns passend einsortiert bekommen. So weit – so gut.
Wo liegt das Problem? Dieser Mechanismus der Selbsttrechtfertigung ist hilfreich um etwas zu begradigen. In unserem Beispiel haben wir gegen einen unserer moralischen und rechtlichen Grundsätze verstoßen. Aber diese Rechtfertigung hat auch eine Schattenseite. Sie wirkt immer weiter. Beim nächsten Mal stehen da Leute, aber es kommt immer noch kein Auto. „Die Ampel ist immer noch unnötig“ denken Sie sich und gehen bei Rot.
Die EGO-Falle
Dieses System funktioniert immer und immer wieder und vor allem ohne das wir uns des Mechanismus bewusst werden. Unser EGO ist so konstruiert, dass wir die letzte Instanz sind, die unsere Entscheidungen prüft. Ein Staat teilt sich nach modernen Regeln in Legeslative (da werden Entscheidungen diskutiert), Exekutive (dort werden Entscheidungen durchgesetzt) und Judikative (dort werden Entscheidungen im Zweifelsfall überprüft). In unserer eigenen Legeslative sitzt aber nur eine Partei namens „EGO“ und die ist dann auch für die Ausführung zuständig. Und wenn Entscheidungen vor Gericht kommen? In unseren Gehirn ist der Vorsitzende Richter auch Mitglied der EGO-Partei.
Solche Ein-Parteien-Länder kennen wir schon: selten ist das für das gesamte Volk eine Wohltat, denken wir nur an Nord-Korea oder Syrien. Und was bedeutet das für uns? Wenn wir allzu fest auf unsere Meinung beharren, dann isolieren wir uns von den Anderen – genauer: die Anderen entfernen sich von uns.
Was kann uns helfen?
„Ein erkannter Fehler ist ein guter Fehler“ – wir brauchen diese Form der Selbstrechtfertigung um zufriedener durch unser Leben gehen zu können. Aber wir sollten uns nicht jede Verbiegung schön reden. Wie wäre es, wenn wir schon bei Rot über die Straße gehen und uns klar sind, dass wir einen Rechtsübertritt begehen? Statt der Ampel die Schuld zu geben und somit die Schuld zu externalisieren, sollten wir zu unseren Fehler bekennen. Dann ist eben auch okay, wenn wir von der Polizei aufgegriffen werden und es zur Anzeige kommt. Statt die kognitive Dissonanz durch eine falsche Rechtfertigung schönzureden ist es besser zu seinem Fehler zu stehen – dann stolpert man nicht so leicht in die Falle der Entfremdung von den Anderen.