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Mitarbeiterschutzgesetze als Rettung vor dem BurnOut?

Unsere Bundesministerin für Arbeit und Soziales hat heute ein Interview gegeben und dabei ging es um das Thema, was die Politik tun kann um steigende Zahl von psychischen Erkrankungen zu verhindern. „Das Arbeitsschutzgesetz verlangt  mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er  Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags  genauso wie am Wochenende“, sagte die Ministerin der „Bild“-Zeitung  (Dienstagsausgabe der BILD-Zeitung). Damit sind wir mitten in der Diskussion um das Thema psychischer Dauerstress am Arbeitsplatz und deren Folgen angekommen.

Wer hat Schuld?

In jeder Diskussion um die Auswirkungen der Arbeitsverdichtung prallen drei Lager aufeinander: Die einen sehen das Problem beim Mitarbeiter. Da wird über deren Hang zum Perfektionismus gelästert und deren Unfähigkeit „Nein“-Sagen zu können. Aber wer macht den Gewinn und will, dass man immer besser erreichbar ist? Und damit kommt die zweite Fraktion auf das Spielfeld: Die Unternehmen müssen betriebswirtschaftlich denken. Das bedeutet vor alle den Gewinn zu maximieren und den Umsatz steigern und das geht auch dadurch, dass man versucht, dass Arbeitsergebnis mit immer weniger Mitarbeiter zu erreichen. Und damit ist die Globalisierung Schuld am Dilemma und damit muss die Politik ran. Schauen wir uns die drei Fraktionen (Mitarbeiter, Unternehmen Gesellschaft) mal der Reihe nach an:

Selber schuld?

Es gab Zeiten, da war Gewissenhaftigkeit eine Tugend. Und es nur allzu menschlich, dass wir versuchen unsere Arbeit bestmöglich zu erledigen. Früher war das überlebenswichtig. Wer das Rascheln im Gebüsch nicht ernst nahm, der wurde vom Säbelzahntiger gefressen, von dem stammen wir vermutlich nicht ab. Heute ist die Welt durch uns selbst wesentlich komplexer geworden. Und die Verantwortung des Einzelnen steigt. Das Vier-Augen-Prinzip ist als Merkmal der Qualitätssicherung eher selten geworden. So kann es beispielsweise immer wieder dazu kommen, dass in einer Bank ein einzelner Investmentbanker Milliarden verzockt. Denn selbst wenn er seine Linie überzieht merkt das keiner mehr so schnell. Dauerhaft hohe Verantwortung ist Dauerstress.

„Noch 148 Mails checken  – wer weiß was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel“ (Tim Bendzko) – diese Omnipräsenz des Mitarbeiters hatte ich schon mal in einem weiteren Blog beschrieben „(„Arbeitsverdichtung als Ursache für Burnout„). Kann man sich diesen Mechanismen als Individuum wirklich entziehen ohne Nachteile für den beruflichen Erfolg zu befürchten? Ich glaube nicht, denn der Einzelnen kann nicht entscheiden, wie viel Erholungswert seines Urlaubs verlorengeht, wenn er jetzt die E-Mail checkt. Kein Mensch rechnet sich aus, dass er durch das Ignorieren der E-Mails in Freizeit und Urlaub viel erholter und frischer am Arbeitsplatz ist. Wiederum evolutionshistorisch argumentiert: Eine drohende Gefahr müssen wir umgehend beheben. Und auch für unsere direkte Gesundheit ist das wichtig. Das Stresshormon Cortisol ist für Schnelligkeit und Spannkraft in Gefahrensituationen notwending (wenn der Säbelzahntiger droht). Für eine Dauerbelastung ist unser biologisches System nicht ausgelegt.

Die Schuld der Unternehmen?

Unternehmen streben eine Maximierung des Gewinns und eine Steigerung des Umsatzes an. Tun sie das nicht, dann sind sie bald pleite und das nützt dem Mitarbeiter dann auch nichts, wenn der Arbeitgeber sehr entgegenkommend war. Gewinn und Umsatz müssen zuerst stimmen. Eine einfache Methode den Gewinn zu steigern ist, die Kosten zu minimieren. Ein Kostenfaktor sind auch die Kosten für die menschliche Arbeitszeit. Je weniger Menschen man für die Produktion von ein und demselben Gut benötigt, desto weniger Kosten entstehen und der Gewinn steigt. Das dies auf Kosten der Gesundheit der Arbeitnehmer gehen kann ist dabei keine Kurzsichtigkeit der Unternehmen, sondern eine systemimmanente Betriebsblindheit: Wer krank ist geht zum Arzt, dafür zahlen wir ja in die Krankenkasse ein.

Natürlich kann nicht ein Unternehmen alleine seine Mitarbeiter zu immer mehr Leistung anspornen. Das muss gleichsam über die gesamte Industrie so gehen und es muss subtiler passieren. Nur so kann binnen zehn Jahren sich die Anzahl der Fehltage durch psychisch Erkrankungen verdoppeln. Und genau solche Zahlen zeigen einen Systemfehler auf, den einzelne Unternehmen nur bedingt auffangen können und wollen.

Muss die Politik eingreifen?

Das Bild ist gerade mal 56 Jahre alt (1956) und es ging um die Einführung der 5-Tage-Woche

Man könnte hier eine Vergleich mit der Industrialisierung  ziehen und dem daraus entstandenen Proletariat.

„Genau wie das antike Proletariat handelte es sich auch beim Proletariat der Zeit der Industriellen Revolution um Menschen, welche ihre bäuerlichen oder kleingewerblichen Existenzen aufgeben mussten und in die Städte zogen. Grund war die Industrialisierung, beginnend mit der Textilindustrie. Das oft mit Heimarbeit verbundene Verlagssystem stellte eine Vorform der Industrialisierung dar. Mit deren wesentlich effizienterer Produktionsweise konnte das kleine Handwerk nicht mehr mithalten. Auf der anderen Seite benötigten die neu entstehenden Fabriken Arbeitskräfte, so dass mehr und mehr die vormaligen Handwerker und Bauern unter Aufgabe ihres Landbesitzes oder ihrer Werkstatt in die Städte gingen und zu (Industrie-)Arbeitern wurden.

Sie wurden dort in einer bis dahin unbekannten Weise ausgebeutet, die tägliche Arbeitszeit betrug bis zu 18 Stunden. Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen gab es nicht. In Kohlebergwerken wurde die billigere Frauenarbeit und Kinderarbeit üblich. Diese Missstände führten nach langen Verboten und Kämpfen letztlich zur Gründung von Gewerkschaften und zur Entstehung der Arbeiterbewegung wie des Marxismus.“

(Seite „Proletariat“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. Mai 2012, 17:14 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Proletariat&oldid=103536081 (Abgerufen: 12. Juni 2012, 10:44 UTC))

Und das Bild vom 1. Mai soll zeigen, dass solche selbstverständliche Errungenschaften, wie die Einführung der 5-Tage-Woche und schrittweise Reduktion der Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden unsere Wirtschaft nicht kaputt gemacht haben. Die Einführung zwischen 1959 und 1965 hat das Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik nicht gehemmt. Und so ist es auch beim aktuellen Problem der psychischen Erkrankungen zu sehen. Wenn wir diese Fehltage wieder halbieren könnten auf den Stand von 2000 wäre das eine gute Konjunkturspritze.

Aber wo liegt das Problem? Was hat sich in den letzten zehn Jahren so massiv verändert? Das gravierendste an Veränderung ist sicher die Erreichbarkeit und das ständige Informiert-Sein durch die neuen Technologien (Handy, Smartphone, Laptop, Internet, etc.). Am Anfang war dies  ein Segen. Und man fragt sich heute, wie man ohne Handy ein Meeting früher überhaupt hinbekommen konnte. Aber nun sind wir auch wie selbstverständlich für das Unternehmen erreichbar  – genauer gesagt sind es die Kollegen, die noch schnell was erledigen wollen oder nur eine kurze Frage haben.

Aber ist das so kritisch, dass die Politik einschreiten muss?  Ich meine, wir benötigen Lösungen, die von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Einzelne Unternehmen können da gerne mal vorpreschen, wie kürzlich VW, die mit dem Betriebsrat ausgehandelt haben, keine E-Mails mehr am Wochenende auf die Smartphones zu verschicken.  Auf jeden Fall haben wir es hier mit einem gesellschaftlichenm Problem zu tun, dessen Lösung auch durch eine Diskussion in der Öffentlichkeit getragen sein sollte. In diesem Sinne ist der Vorstoß der Bundesministerin sicher zu begrüßen. Aber Politik dauert immer etwas …

Was kann der Einzelne machen?

Es wäre zynisch für jeden Betroffenen, wenn man auf das Ergebnis einer solchen gesellschaftlichen Diskussion warten würde. Deshalb muss jeder Einzelne auf sich selbst achten. Und vor allem Angehörige und Kollegen können unterstützen, von der Fürsorgepflicht des Unternehmens und damit des Vorgesetzten ganz zu schweigen. Alleine findet man da schlecht wieder raus.

In meinen Coachings versuche ich deshalb zunächst meinen Klienten den Unterschied zwischen Engagement für die Arbeit und Assoziation mit der Arbeit klar zu machen. Eine amerikanische Management-Trainerin hat mir mal den einfachen Satz dazu gelehrt: „Leave your ego at the door.“ Unsere Arbeit sollte uns nicht egal sein, denn dann sind wir wahrscheinlich nicht lange erfolgreich. Aber man sollte sie auch nicht zu persönlich nehmen. Wer sich nur über seine Arbeit definiert, rennt fast zwangsläufig in diese Falle.

Mir geht es darum beim Klienten die Augen zu öffnen für Alternativen.  Wer Alternativen hat, der entdeckt schnell den Denkfehler der persönlichen Identifikation mit der Arbeit. Mit den Alternativen entstehen neue Freiräume und damit Möglichkeiten der Entspannung. Wichtig ist, dass am Ende ein Engagement für die Arbeit (welche das dann auch immer ist) wieder entsteht. Denn ohne Arbeit geht es nicht, finanziell und auch vom Lebensrhythmus her. Das Ziel muss sein, dass wir wieder zu einer Arbeit zu finden, die im Großen und Ganzen Spaß macht. Ein Komplettpaket zu diesem Thema ist mein Perspektiv-Coaching.

Gerne würde ich Eure Meinung dazu lesen. Wer sich auf meiner Website anmeldet, der kann hier direkt mitdiskutieren (und bekommt per Newsletter Informationen zu meien neuen Blogs).

Die EGO-Falle oder warum wir Recht haben

Nehmen wir mal an Sie haben es eilig, wollen zu U-Bahn und müssen noch eine Straße überqueren und kurz bevor sie die erreichen geht die Fußgängerampel auf Rot. Es eigentlich kein Auto weit und breit. Missmutig drücken Sie die Anforderung für den Fußgänger und dann dauert es …

Kognitive Dissonanz

Die Unstimmigkeit im Gehirn, den Sie jetzt erleben, nennen die Wissenschaftler eine kognitive Dissonanz. „Nicht bei Rot gehen“ und „Ich habe es eilig“ streiten sich und die zweite Fraktion bekommt weitere Unterstützung: „Es sieht ja keiner“ – „Vor allem sind keine Kinder in der Nähe – also beliebt die Vorbildfunktion intakt“ usw.

Und wenn Sie dann bei Rot rüber sind startet ein mächtiges Programm im Kopf. Es trägt den Titel „Selbstrechtfertigung“. „Diese Ampel ist hier völlig unnötig!“ – „Zumindest um diese Zeit!“ und etwas später kommt dann noch „Diese falsch konzipierte Ampel ist Schuld dass mir die U-Bahn davon gefahren ist!“ – „Man sollte sich beim Straßenbauamt beschweren.“ – „Oder eine Anzeige wegen Nötigung gegen den Aufsteller dieser Ampel erstatten“.

Selbstrechtfertigung

Wir können mit Unstimmigkeiten auf Dauer nicht leben. Irgendwann entscheiden wir uns und dann hilft uns das Programm der „Selbstrechtfertigung“ wieder mit uns ins Reine zu kommen. Das ist sehr praktisch. Es sorgt dafür, dass wir die Entscheidung für uns passend einsortiert bekommen. So weit – so gut.

Wo liegt das Problem? Dieser Mechanismus der Selbsttrechtfertigung ist hilfreich um etwas zu begradigen. In unserem Beispiel haben wir gegen einen unserer moralischen und rechtlichen Grundsätze verstoßen. Aber diese Rechtfertigung hat auch eine Schattenseite. Sie wirkt immer weiter. Beim nächsten Mal stehen da Leute, aber es kommt immer noch kein Auto. „Die Ampel ist immer noch unnötig“ denken Sie sich und gehen bei Rot.

Die EGO-Falle

Dieses System funktioniert immer und immer wieder und vor allem ohne das wir uns des Mechanismus bewusst werden. Unser EGO ist so konstruiert, dass wir die letzte Instanz sind, die unsere Entscheidungen prüft. Ein Staat teilt sich nach modernen Regeln in Legeslative (da werden Entscheidungen diskutiert), Exekutive (dort werden Entscheidungen durchgesetzt) und Judikative (dort werden Entscheidungen im Zweifelsfall überprüft). In unserer eigenen Legeslative sitzt aber nur eine Partei namens „EGO“ und die ist dann auch für die Ausführung zuständig. Und wenn Entscheidungen vor Gericht kommen? In unseren Gehirn ist der Vorsitzende Richter auch Mitglied der EGO-Partei.

Solche Ein-Parteien-Länder kennen wir schon: selten ist das für das gesamte Volk eine Wohltat, denken wir nur an Nord-Korea oder Syrien. Und was bedeutet das für uns? Wenn wir allzu fest auf unsere Meinung beharren, dann isolieren wir uns von den Anderen – genauer: die Anderen entfernen sich von uns.

Was kann uns helfen?

„Ein erkannter Fehler ist ein guter Fehler“ – wir brauchen diese Form der Selbstrechtfertigung um zufriedener durch unser Leben gehen zu können. Aber wir sollten uns nicht jede Verbiegung schön reden. Wie wäre es, wenn wir schon bei Rot über die Straße gehen und uns klar sind, dass wir einen Rechtsübertritt begehen? Statt der Ampel die Schuld zu geben und somit die Schuld zu externalisieren, sollten wir zu unseren Fehler bekennen.  Dann ist eben auch okay, wenn wir von der Polizei aufgegriffen werden und es zur Anzeige kommt. Statt die kognitive Dissonanz durch eine falsche Rechtfertigung schönzureden ist es besser zu seinem Fehler zu stehen – dann stolpert man nicht so leicht in die Falle der Entfremdung von den Anderen.

Das EGO-Phänomen

Was macht uns eigentlich aus? Während ich das hier schreibe, steht neben mir ein Glas Wasser. Und plötzlich habe ich das Glas in der Hand und trinke. Warum? War bin ich nicht gerade beim Schreiben? Wer hat mich denn da gerade dazu überredet etwas zu trinken? Ich selbst? Oder gibt es da noch etwas, das mich steuert. Wie souverän ist mein Selbst? Und was können wir daraus konkrete Schritte für uns ableiten.

Das Libet-Experiment

Ein viel beachtetes Experiment lässt uns den Glauben an unseren freien Willen anzweifeln. Die Probanden sollten lediglich den Finger heben und sich dabei merken, wann sie diesen Gedanken bewusst gedacht haben. Für diese Zeitmessung hatten sie eine rotierende Drehscheibe vor sich, auf der ein Punkt markiert war. Es geht nämlich um Vorgänge im Millisekunden-Bereich. Zusätzlich wurde bei den Probanden mit einer Sonde der Bereich im Gehirn gemessen, wo der Finger codiert ist, wo also der Muskel seine Anweisung bekommt zum Heben.

Etwa 300 Millisekunden bevor sich der Finger hob lag der Zeitpunkt, den die Probanden als willentlichen Gedanken angaben. Soweit so gut. Aber schon weitere 300 Millisekunden davor, gab es bereits das Signal an den Fingermuskel, der über die Sonde gemessen wurde. Es scheint so zu sein, dass unsere bewusste Wahrnehmung erst im Nachhinein verständigt wurde, gerade noch bevor der Finger sich hob. Wer hat denn nun den Finger gehoben? Um das zu Verstehen, muss man einen Blick in das Gehirn und seine evolutionäre Entwicklung machen.

Unser Gehirn

Der größte Unterschied zwischen Menschen und Tieren ist unser Gehirn. Allerdings ist es nicht die Größe – es gibt Tiere, die deutlich mehr als die ca. 1,3-1,4 kg des Menschen an Gehirnmasse haben. Man muss beim Gehirn schon etwas ins Detail gehen. Die Wissenschaft teilt das Gehirn in unterschiedliche Bereiche ein. Diese Teile des Gehirns sind bei den anderen Säugetieren zwar auch vorhanden, aber nicht bei jeden alle und nicht alle in gleicher Ausprägung.

Auffällig beim Menschen ist der Teil, der sich wie eine Badekappe über den vorderen, oberen Bereich des Gehirns legt. Dieser präfrontale Cortex (PFC) ist sehr spät in der Evolution entstanden. Einige unserer nächsten Artverwandten haben so etwas auch – aber nicht so ausgeprägt, wie beim Menschen. Er macht etwa 1/3 unser Gehirnmasse aus – bei unsere nächsten Verwandten ist es gerade mal 1/6. In diesem PFC hat die Wissenschaft vor allem viele verstandesmäßige Verarbeitungen lokalisiert, auch die Reflexion, also die Fähigkeit, über uns und unser Denken und Handeln nochmal nachzudenken.

Das Phänomen ICH

„Cogito ergo sum“ – „Ich denke, also bin ich“ hat René Descartes als sein philosophisches Fundament errichtet. Ich denke, ich handele nach diesen Gedanken und bin deshalb eine eigenständige Einheit. Der ICH-Mensch war geboren. Diese Philosophie ist nicht unumstritten. Im Buddhismus spricht man von diesem ICH eher als eine Anhaftung. Thomas Metzinger beschreibt in seinem Buch Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik die Vorgänge in unserem Gehirn ganz anders. Danach konkurrieren verschiedene Handlungsideen im Kopf. Während ich schreibe fällt mein Blick auf das Glas Wasser und schon trinke ich einen Schluck oder auch nicht. Wer hat das entschieden? Frage ich mich das bewusst, dann wird mir mein Bewusstsein rückmelden, das ICH das war. In Wirklichkeit haben womöglich mehrere Handlungsalternativen im Kopf rumgespukt. Um das Glas Wasser zu trinken, muss unser Gehirn erst mal simulieren, wie das geht. Gleichzeitig simuliert es auch wie ich weiterschreibe und, weil das Telefon auch in der Nähe liegt, fällt mir auch der Anruf ein, den ich tätigen wollte. Und so wabern parallel verschiedene Handlungssimulationen in unserem Unterbewusstsein. Und eine dieser alternativen Handlungssimulation gewinnt.

Haben Sie sich schon mal beim Trinken verschluckt oder das Getränk verschüttet, weil man schon wieder mit was Anderem beschäftigt war? Wer sorgt eigentlich dafür, dass ICH ständig zwischen den verschiedenen Ideen und Sinnesreizen hin- und hergerissen bin? ICH? Und wenn wir etwas gemacht haben, dass wir nicht (in seiner Auswirkung) wollten? Wer war das dann? „Der Andere hat mich so provoziert, dass ich zuschlagen musste.“ So etwas höre ich als Schöffe ständig.Thomas Metzinger spricht deshalb von einem EGO-Tunnel, in dem wir als Individuum leben und in dem Glauben agieren, dass wir alles was wir machen selbst bestimmen und natürlich auch verantworten. Was aber, wenn in Wirklichkeit jede Menge alternative Handlungssimulationen ständig in uns evaluiert werden und quasi in einem uns verborgenen Vorgang dann als Handlung nach außen dringen? Sind wir dann noch frei in unserem Willen und in unseren Entscheidungen?

Emotionen und freier Wille

Ganz sicher machen wir uns den nächsten Schritt oder die nächste Handbewegung nicht bewusst. Der Automatismus in uns lässt uns die gelernten Muster perfekt abspulen. Dabei benötigen wir das Bewusstsein nicht. Und das ist gut so. Dazu passt der Tausendfüßler-Witz: Die Grille fragt den Tausendfüßler, mit welchem Fuß er beginnt und schon beim bersten bewussten Nachdenken kommt der Tausendfüßler ins Straucheln.

Unser Bewusstsein ist kostbar. Es wird immer dann benötigt, wenn Entscheidungen anstehen oder neue Situationen entstehen, auf die unsere gelernten Muster nicht passen. Deshalb ist das Bewusstsein im Dialog hellwach – oder man ist Politiker und beantwortet nicht die Frage, sondern spult seinen Populismus ab.

Aber zurück zur Frage: wenn viele meiner Entscheidungen, durch ein internes, unterbewusstes Angebot- und Nachfrage-Spiel entschieden wird, wo bleibt denn da der freie Wille? An dieser Stelle bringe ich nochmal den Namen für mein Coaching ins Spiel: EVAPrinzip – in meiner Auslegung: Erkennen – Verstehen – Abändern. 

„Wer A sagt muss nicht B sagen. Er kann auch erkennen, das A falsch war.“  (Bert Brecht – Der Jasager und der Neinsager) 

Wehret den Anfängen    

Viele Therapien (Verhaltenstherapie, kognitive VT, Schematherapie, etc.) leben von der Erkenntnis, dass wir ein starkes Bewusstsein haben und damit unser Handeln und die Folgen unseres Handelns abschätzen können. Deshalb ist es trotzdem schwierig, die inneren Prozesse zu unterbrechen, man denke jetzt während der Fastenzeit nur an das Thema Diät oder grundsätzlich an das Thema „Gesunde Ernährung“. Natürlich ist es schwer sich gegen Gewohnheiten durchzusetzen. Coaching kann hierbei unterstützen und dem Klienten helfen neue Ziele stabil zu verfestigen. Eine kleine Warnung möchte ich noch dazu geben: nicht alles ist über den reinen Willen selbst noch zu steuern. Als Beispiel nenne ich hier die klinische Depression – hier liegt eine therapie-pflichtige Erkrankung vor. Allerdings ist der Übergang von Niedergeschlagenheit zu Traurigkeit und zu einer tiefen Depression fließend. 

„Wäre ich nur eher zu Ihnen gekommen“ – ein Satz, den ich viel zu oft höre. Bei frühzeitigem Erkennen reichen oft wenige Coachingssitzungen. Langes Aussitzen macht die Situation oft verfahren und dann wird es schwieriger alle Fäden auseinander zu bekommen. Eine bewusste Entscheidung kann sein: ich brauche Unterstützung.

Und am Schluss noch ein Tipp: man kann sein (Selbst-)Bewusstsein trainieren und stärken. Eine Übung habe ich bereits mehrfach beschrieben: Steigerung der Zufriedenheit und natürlich ist Meditation immer eine gue Emfehlung um zur Ruhe zu kommen und das Bewusstsein zu schärfen.