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Positive Psychologie = ewige Glückseligkeit = Esoterik???

Auf meiner Website steht es oft genug zu lesen: in meinem Coaching sind viele Elemente der „positiven Psychologie“ enthalten. Aber was ist das eigentlich? Manchmal ist es einfacher zu sagen, was es nicht ist: Es ist nicht (ausschließlich) Positives Denken.

Ein wenig Geschichte

Die Psychologie ist eine sehr junge Wissenschaft. In den Anfängen hat man vor allem auf die Probleme der Menschen im Umgang mit ihrem Geist geachtet. Hysterie war so ein Krankheitsbild. Schizophrenie und Depression sind weitere Krankheitsbilder. Aber viele Psychologen waren und sind mit den Heilungsprozessen solcher Krankheiten unzufrieden.

Martin Seligman ist ein amerikanischen Psychologe. Seine Bücher über erlernte Hilflosigkeit als eine der Grundlagen der Depression sind sehr bekannt. Er begann sehr provokante Fragen zu stellen, inbesondere als er Präsident der amerikanischen Psychologen Vereinigung (APA) wurde: Er hatte erkannt, dass man, wenn man die Depression bei einem Patienten losbringt, dann keinesfalls einen glücklichen Patienten hat. Seligman sagt selbst, das Ergebnis ist „an empty patient“ (ein leerer Patient). Er formulierte damals das Ziel, dass man in der Psychologie sich nicht nur auf das Weg-von-Krankheit fokussieren sollte, sondern auch auf das Hin-zu-Gesundheit. Im Amerikanischen ist man da schnell beim Begriff „Happiness“.

Sein erstes Buch zu dem Thema beschäftigte sich deshalb mehr mit diesem Aspekt (Martin Seligman: Der Glücks-Faktor: Warum Optimisten länger leben). Aber schon dort finden sich einige interessante Forschungsergebnisse. Eines habe ich in meiner Tagesreflexions-Übung mit eingebaut. Und auch ich konnte bei meinen Klienten beobachten, wie sich durch diese einfache Übung die positive Befindlichkeit verbesserte.

Viele der Übungen, die Seligman und andere Psychologen entwickelt haben gehen in die Richtung der Achtsamkeit, der Beachtung, was schon alles da ist. In diesem Sinne verstehe ich auch mein Arbeitsmotto: Erkennen – Verstehen – Abändern. Das Gute an den meisten Übungen der positiven Psychologie ist die Tatsache, dass die Wirkung eintritt, ohne das man sich dessen bewußt wird. Sie helfen unterschwellig.

Vom Glück zum Sinn

Mittlerweile hat sich dieser etwas hedonistische Glücksucher-Aspekt verändert. Denn neben dem Glück, dass man aus seinen Lebensmomenten zieht gibt es einen weiteren Aspekt, den man am besten mit Werte-Glück umschreiben kann. Werte-Glück entsteht nicht so sehr aus den glücklichen Momenten, auf die man sich besinnt, sondern hier geht es mehr um den Sinn des Lebens. Damit baut sich hier eine Brücke zu dem von mir sehr geschätzten Psychiater Viktor Frankl, der mit seinen Lebens-Erfahrungen, die er in einem KZ („… trotzdem Ja zum Leben sagen: Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager„) gesammelt und gefestigt hat, seine Logo-Therapie begründet hat, nach der  jeder, der etwas Sinnvolles anstrebt eine höhere Zufriedenheit erlebt.

Womit wir bei den Sinnfragen angekommen sind. Der Sinn des Lebens? Die Philosophen haben schon danach gesucht. Viktor Frankl hat verschiedene Straßen zum Sinn definiert. Eine davon ist, das Erleben und das Wahrnehmen des Erlebten. Als Zweites geht es um das Erschaffen von Werken. Dabei geht es um das Gefühl, etwas zu tun, das einen Wert hat. Das muß nicht die einzige Aufgabe sein. Ich entdecke mit meinen Klienten oft Teilaspekte aus deren Leben, die ausbaufähig sind und das Leben sinnvoller machen. Bei Viktor Frankl geht es auch immer um das Hinnehmen, was ist. Es gibt auf dieser Welt Dinge, die uns emotional nicht gefallen und die wir auch nicht ändern können. Viktor Frankl hat einmal sinngemäß gesagt: „Fragen Sie niemals nach dem Sinn des Lebens. Sie werden keine Antwort bekommen. Denn die Wahrheit ist eine andere: Das Leben ist es, das Sie tagtäglich neu befragt, und Sie müssen Tag für Tag darauf antworten, indem Sie Ihren Alltag bewältigen.“ (Zitiert aus: Meine zwei Regeln zum Glück)

Bei Viktor Frankl finden sich viele sehr starke Gedanken. Aber auch er kannte nur den Weg des Gesprächs, des Hinterfragens, des Humors um emotionale Blockaden zu lösen.  Die heutige Psychologie forscht da weiter. Gerade die Fähigkeit negative Ereignisse nicht übermächtig werden zu lassen, sondern gelassener in die Welt zu gehen, führt plötzlich in eine alte Tradition, nämlich die der Meditation. Es gibt dazu viele gute Bücher die ich in diesem Zusammenhang empfehlen kann:

Buddha und die Wissenschaft vom Glück: Ein tibetischer Meister zeigt, wie Meditation den Körper und das Bewusstsein verändert – Vorwort von Daniel Goleman in diesem Buch berichtet ein tibetischer Mönch über seine Erfahrungen in der westlichen Welt und gibt interessante Tipps zum Thema Meditation. Es geht dabei auch um solche immer wiederkehrenden Fragen, wie der richtigen Sitzhaltung und dem genauen Inhalt der Mediation.

Matthieu Riccard ist den anderen Weg gegangen. Glück: Mit einem Vorwort von Daniel Goleman beschreibt die Meditation und das Dasein als Mönch aus der Perspektive eines Franzosen, der sich zum Mönch gewandelt hat.

Wer es etwas bodenständiger mag: Search Inside Yourself: Das etwas andere Glücks-Coaching Auch bei Google hat man sich Gedanken gemacht, wie man die Mitarbeiter vor dem unvermeidlichen Leistungsdruck schützen kann und dabei hat der Autor das Thema Meditation als Schutzmaßnahme entdeckt und propagiert es entsprechend.

Am Ende dieses Blogs bleibt folgende Erkenntnis. Der Weg zu einem erfüllten Leben geht nicht einfach so mit Leichtigkeit zu beschreiten. Wir rennen allzuoft dem Leben hinterher, statt uns darüber zu freuen, was alles schon ist. Und Achtsamkeit auf die kleinen Dinge, die wir schon haben und unsere Fähigkeit dem Leben einen Inhalt zu geben machen den Unterschied aus. Manche erleben diese Unmittelbarkeit des Daseins durch ein Coaching bei mir. Andere gehen einen längeren Weg, in dem Sie zunächst mal sich tief in ihr Problem eingraben, bis eine Erschöpfungsdepression sie erlöst. BurnOut kann man nur frühzeitig verhindern.  Nutzen Sie dies Angebot, bevor es zu mühsam wird.

Burnout? Muss das denn sein?

Vor ein paar Wochen hatte ich die Chance als Assistent bei einem Seminar zum Thema BurnOut dabei zu sein. Und seitdem treibt mich wieder die Frage um, wie kann man BurnOut eigentlich griffig fassen? Ich orientiere mich dabei an einem Buch: Das Burnout-Syndrom: Theorie der inneren Erschöpfung von Matthias Burisch.

Der Begriff „Burnout“

Schon bei der Sinnhaftigkeit des Begriffs scheiden sich die Geister.  Wenn etwas „ausbrennt“, dann ist das ein zügiger Vorgang. („Das Auto fing Feuer und brannte aus.“). Burnout ist aber ein langer Prozess, der sich mindestens über einige Monate, oft über ein Jahr hinzieht. Im Sprachgebrauch ist auch oft unklar, ob mit Burnout ein Prozess oder ein Zustand gemeint ist („Ich hatte einen BurOut“). Eine Diagnose gibt es auch nicht, denn Burnout ist keine anerkannte Krankheit. Alle Krankheiten werden weltweit katalogisiert und beispielsweise im ICD veröffentlicht. Für die Psyche gibt es dann auch noch den DSM. Diese Klassifikation folgt erst immer den Krankheiten und wird oft auch durch ein allgemeines Meinungsbild geprägt. Im vorletzten ICD-9 gab es beispielsweise das Krankheitsbild mit der Nummer 302.0. Das zeigt einmal mehr, wie sehr Krankheiten dem Zeitgeist unterliegen und sich deshalb auch in der Definition ändern können. Ob der IDC-11 irgendwann auch die Symptomatik des BurnOuts besser spezifiziert muss man abwarten.

Burrisch hat aus den eigenen Erfahrungen mit dem Phänomen BurnOut und einem kleinen Querschnitt durch die Fachliteratur folgenden Ablauf vorgeschlagen:

  • Kategorie 1: Übereifer – es beginnt ganz harmlos, indem der Patient sich übermässig in die gestellten Aufgaben reinhängt und das nicht einmalig, sondern wiederholt.
  • Kategorie 2: Frust – Übereifrige stossen an irgendwann an ihre Grenzen – Erfolg wandelt sich in Kritik und aus Übereifer wird Frust
  • Kategorie 3: Aggression – Man hat sein bestes getan und nichts wurde anerkannt – jetzt braucht es Schuldige
  • Kategorie 4: Abbau – mit dem Frust und der Wut sinkt die eigene Kreativität, der Lebensmut
  • Kategorie 5: Verflachung – man macht sich zunehmend kleiner – zieht sich zurück von Familie und Freunde
  • Kategorie 6: Psychomsomatische Krankheiten kommen dazu – die Psyche erreicht den Körper
  • Kategorie 7: Verzweifelung – hier wird dann oft die Erschöpfungsdepression diagnostiziert und die steht nun wieder im ICD und ist abrechenbar

Man sieht also, dass erst der völlige Zusammenbruch einen Mediziner auf den Plan ruft. Vorher kann man natürlich auch wegen der oftmals auftretenden psychosomatischen Erkrankungen eine Krankschreibung vornehmen. Aber bis zu einer Erschöpfungsdepression sollte es im Idealfall nicht kommen.

aus: Apotheken-Umschau 11/2012

In der aktuellen Apotheken-Umschau gibt es ebenfalls einen interessanten Bericht zum Thema BurnOut. Dort wird der Verlauf in den BurnOut in 12 Stadien geschildert. Mir gefällt an dieser Einteilung. Sie nimmt Bezug auf eine sehr gute Zusammenfassung. Besonders der grüne Bereich ist natürlich etwas, was man als Unternehmer nicht unbedingt als BurnOut-Warnsignal ansehen möchte: Sich ständig beweisen zu wollen ist etwas, dass man auch als gesunden Ehrgeiz bezeichnen kann.

Wir brauchen eine gewisse Herausforderung. Der Psychologe Mihály Csíkszentmihályi hat den Flow zwischen Unterforderung und Überforderung entlang unserer Fähigkeiten beschrieben. Dabei stehen Anforderung und Fähigkeit im ausgewogenen Verhältnis, so dass keine Langeweile oder Überforderung entsteht und wir haben das Gefühl von Kontrolle über unsere Aktivität. Hier wäre ein „Keep the fire burning“ als Motto angebracht.

Die Psychologie kennt vier Grundbedürfnisse, die diesen Kreislauf in Gang halten (u.a. auch in Grawe: Neuropsychotherapie). Dazu gehören:

  • Bindung (im Unternehmens-Jargon: Loyalität des Unternehmens mit seinen Mitarbeitern und umgekehrt) – hier spielt der Vorgesetzte und das Klima in der Abteilung eine wichtige Rolle (für Unternehmer: so etwas kann man über eine gelebte Firmenkultur steuern)
  • Selbstwert – das ist eigentlich ein Innenwert eines jeden Menschen – der kann aber nachhaltig durch Externes gestört werden; durch Vorgesetzte, aber auch durch Arbeitsabläufe (wenn die Arbeit nicht mehr zu bewältigen ist)
  • Selbstwirksamkeit – wir wollen, dass unsere Arbeit anerkannt wird. Gecancelte Termine oder ganze Projekte, auf die man angewiesen ist, stellen das in Frage
  • Lust an der Arbeit – wenn die Arbeit Spaß macht, dann geht sie einfache leichter, man ist kreativer und das zahlt sich in Summe aus

Wir haben kaum eine Chance in den BurnOut zu kommen, wenn diese vier Faktoren für die Arbeit und auch für das  gesamte Leben gelten. Wir schaffen etwas, haben Erfolg, das wird anerkannt und schon macht die Arbeit in diesem Umfeld Spaß. Aber so kann es nicht immer sein. Kein Vorgesetzter kann es allen Mitarbeitern immer recht machen. Keine Firmenkultur kann für immer eine konfliktfreie Atmosphäre herstellen. Umgekehrt gilt für den Mitarbeiter die Macht der Gewohnheit. Wenn etwas läuft, dann ändern wir am besten nichts und wenn es nicht mehr 100% so läuft, dann versuchen wir eher den alten Zustand wieder herzustellen.

Änderungen passieren ständig. Es ändert sich das Umfeld und auch der Mensch selbst und das manchmal eher unscheinbar und unmerklich oder man unterschätzt Veränderungen in seiner Auswirkung. Im Modell ist das dann Stadium 5 und 6: man beginnt die Dinge umzudeuten und verleugnet die auftretende Probleme. In meinem Modellbild kommt es zu Verwirrung, weil die Dinge nicht mehr so sind wie man es erwartet hätte, zu Frust, weil man die Veränderung nicht mag, zu einer Externalisierung von Schuld (die Anderen, der Boss, die neue Leitung, der Kunde, die wirtschaftliche Entwicklung, die Regierung, etc.).

Hier erweitert sich der Kreis der Betroffenen/Beteiligten (die Personalabteilung wird eingeschaltet und oft auch die Arbeitnehmervertretung). Jetzt ist Verhandlungsgeschick gefragt. Deshalb ist hier Mediation eine gute Wahl der Personalabteilung und des Betriebsrats. Kommt es zur Klärung, so kann der Mitarbeiter wieder Hoffnung schöpfen und mit neuer Energie ans Werk gehen. Aber das ist natürlich keine Lösung, die den Mitarbeiter vor BurnOut schützt. Und verfehlt die Mediation ihre Wirkung, dann beginnt der Abstieg in die Verflachung (Dienst nach Vorschrift, Einschränkung der Sozialkontakte) und spätesten jetzt zeigen sich psychosomatische Beschwerden als hartnäckig (Herz-, Magen-, Darm-, Rückenprobleme, Kopfschmerzen, etc.). Von dort ist es nicht mehr weit bis zur Verzweifelung und damit zu einer klinischen Depression).

Mediation – ist das alles?

In der aktuellen Apotheken-Umschau wird in dem Bericht vor allem auf eine Störung der Eigenwahrnehmung im BurnOut-Prozeß hingewiesen. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Menschen, die in so einem BurnOut-Prozess stecken, erleben Verletzungen der vier Grundbedürfnisse sehr intensiv.

  • Selbstwirksamkeit: Da wird jemanden das Projekt entzogen oder neue Kunden zugeteilt und die gepflegten Kundenbeziehungen an jemand anders übergeben oder die Wirtschaft spielt nicht mit und der beste Kunde kann nun keine weiteren Aufträge vergeben
  • Bindung: Jahrelang hat man sich für die Firma geopfert und nun kommt dieser neue Chef und alles geht den Bach runter. Das ist nicht mehr meine Firma.
  • Selbstwert: Jetzt hat mich die Firma so kaputt gemacht, jetzt bekomme ich gar nichts mehr richtig hin
  • Und das dieser Job natürlich keinen Spaß mehr macht ist bei diesen Beispielen, die ich hier gerade aus meiner Praxis beschrieben habe schon nicht mehr erwähnenswert.

Jetzt ist es für den Betroffenen extrem wichtig, dass er wieder zu seinen eigenen Werten und Lebensinhalten findet. Aber das kann man in der Mediation in einem Personalgespräch nur schwer erreichen. Gerade wenn die Eskalation schon die Personalabteilung und den Betriebsrat auf den Plan gerufen haben. Dann sind die Fronten verhärtet. Hier ist dringend eine Unterstützung für den Betroffenen geboten um ein weiteres Abdriften in den BurnOut-Prozess zu verhindern. Das gebietet schon die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Perspektiv-Coaching

Was der Betroffene jetzt braucht ist ein umfassendes Verständnis seiner Gesamtsituation. Daraus kann er dann neue Handlungsalternativen entwickeln. Dazu muss er aber aus der Stress-Situation rauskommen können. Und genau hier setzt mein Perspektiv-Coaching an. Es geht nicht darum die aktuelle Situation im Unternehmen noch einmal aufzuarbeiten – das kann man im Coaching auch machen, um beispielsweise neue Verhaltensmuster im Umgang mit dem Vorgesetzten zu erarbeiten und zu verfestigen. Für mich ist das der zweite Schritt. Der erste geht über eine sorgfältige Analyse der Gesamtsituation des Klienten. Das hört sich nach viel Arbeit und viele Stunden an. Tatsächlich kann man aber ein erstes Bild seiner Gesamtsituation in zwei Sitzungen erreichen. Das ist keine Magie, sondern beruht auf meiner Erfahrung und meinem „handwerklichen“ Können als Coach.
Neugierig geworden? Dann melden Sie sich doch mal unverbindlich bei mir.

Übrigens: Einige Arbeitgeber finanzieren das Coaching für den Mitarbeiter. Fragen Sie doch mal in der Personalabteilung nach. Und wenn nicht, dann freue ich mich auch hier auf jeden Kontakt.

Mitarbeiterschutzgesetze als Rettung vor dem BurnOut?

Unsere Bundesministerin für Arbeit und Soziales hat heute ein Interview gegeben und dabei ging es um das Thema, was die Politik tun kann um steigende Zahl von psychischen Erkrankungen zu verhindern. „Das Arbeitsschutzgesetz verlangt  mit seinem knallharten Strafenkatalog von jedem Chef, dass er  Körper und Geist seiner Mitarbeiter aktiv schützt – werktags  genauso wie am Wochenende“, sagte die Ministerin der „Bild“-Zeitung  (Dienstagsausgabe der BILD-Zeitung). Damit sind wir mitten in der Diskussion um das Thema psychischer Dauerstress am Arbeitsplatz und deren Folgen angekommen.

Wer hat Schuld?

In jeder Diskussion um die Auswirkungen der Arbeitsverdichtung prallen drei Lager aufeinander: Die einen sehen das Problem beim Mitarbeiter. Da wird über deren Hang zum Perfektionismus gelästert und deren Unfähigkeit „Nein“-Sagen zu können. Aber wer macht den Gewinn und will, dass man immer besser erreichbar ist? Und damit kommt die zweite Fraktion auf das Spielfeld: Die Unternehmen müssen betriebswirtschaftlich denken. Das bedeutet vor alle den Gewinn zu maximieren und den Umsatz steigern und das geht auch dadurch, dass man versucht, dass Arbeitsergebnis mit immer weniger Mitarbeiter zu erreichen. Und damit ist die Globalisierung Schuld am Dilemma und damit muss die Politik ran. Schauen wir uns die drei Fraktionen (Mitarbeiter, Unternehmen Gesellschaft) mal der Reihe nach an:

Selber schuld?

Es gab Zeiten, da war Gewissenhaftigkeit eine Tugend. Und es nur allzu menschlich, dass wir versuchen unsere Arbeit bestmöglich zu erledigen. Früher war das überlebenswichtig. Wer das Rascheln im Gebüsch nicht ernst nahm, der wurde vom Säbelzahntiger gefressen, von dem stammen wir vermutlich nicht ab. Heute ist die Welt durch uns selbst wesentlich komplexer geworden. Und die Verantwortung des Einzelnen steigt. Das Vier-Augen-Prinzip ist als Merkmal der Qualitätssicherung eher selten geworden. So kann es beispielsweise immer wieder dazu kommen, dass in einer Bank ein einzelner Investmentbanker Milliarden verzockt. Denn selbst wenn er seine Linie überzieht merkt das keiner mehr so schnell. Dauerhaft hohe Verantwortung ist Dauerstress.

„Noch 148 Mails checken  – wer weiß was mir dann noch passiert, denn es passiert so viel“ (Tim Bendzko) – diese Omnipräsenz des Mitarbeiters hatte ich schon mal in einem weiteren Blog beschrieben „(„Arbeitsverdichtung als Ursache für Burnout„). Kann man sich diesen Mechanismen als Individuum wirklich entziehen ohne Nachteile für den beruflichen Erfolg zu befürchten? Ich glaube nicht, denn der Einzelnen kann nicht entscheiden, wie viel Erholungswert seines Urlaubs verlorengeht, wenn er jetzt die E-Mail checkt. Kein Mensch rechnet sich aus, dass er durch das Ignorieren der E-Mails in Freizeit und Urlaub viel erholter und frischer am Arbeitsplatz ist. Wiederum evolutionshistorisch argumentiert: Eine drohende Gefahr müssen wir umgehend beheben. Und auch für unsere direkte Gesundheit ist das wichtig. Das Stresshormon Cortisol ist für Schnelligkeit und Spannkraft in Gefahrensituationen notwending (wenn der Säbelzahntiger droht). Für eine Dauerbelastung ist unser biologisches System nicht ausgelegt.

Die Schuld der Unternehmen?

Unternehmen streben eine Maximierung des Gewinns und eine Steigerung des Umsatzes an. Tun sie das nicht, dann sind sie bald pleite und das nützt dem Mitarbeiter dann auch nichts, wenn der Arbeitgeber sehr entgegenkommend war. Gewinn und Umsatz müssen zuerst stimmen. Eine einfache Methode den Gewinn zu steigern ist, die Kosten zu minimieren. Ein Kostenfaktor sind auch die Kosten für die menschliche Arbeitszeit. Je weniger Menschen man für die Produktion von ein und demselben Gut benötigt, desto weniger Kosten entstehen und der Gewinn steigt. Das dies auf Kosten der Gesundheit der Arbeitnehmer gehen kann ist dabei keine Kurzsichtigkeit der Unternehmen, sondern eine systemimmanente Betriebsblindheit: Wer krank ist geht zum Arzt, dafür zahlen wir ja in die Krankenkasse ein.

Natürlich kann nicht ein Unternehmen alleine seine Mitarbeiter zu immer mehr Leistung anspornen. Das muss gleichsam über die gesamte Industrie so gehen und es muss subtiler passieren. Nur so kann binnen zehn Jahren sich die Anzahl der Fehltage durch psychisch Erkrankungen verdoppeln. Und genau solche Zahlen zeigen einen Systemfehler auf, den einzelne Unternehmen nur bedingt auffangen können und wollen.

Muss die Politik eingreifen?

Das Bild ist gerade mal 56 Jahre alt (1956) und es ging um die Einführung der 5-Tage-Woche

Man könnte hier eine Vergleich mit der Industrialisierung  ziehen und dem daraus entstandenen Proletariat.

„Genau wie das antike Proletariat handelte es sich auch beim Proletariat der Zeit der Industriellen Revolution um Menschen, welche ihre bäuerlichen oder kleingewerblichen Existenzen aufgeben mussten und in die Städte zogen. Grund war die Industrialisierung, beginnend mit der Textilindustrie. Das oft mit Heimarbeit verbundene Verlagssystem stellte eine Vorform der Industrialisierung dar. Mit deren wesentlich effizienterer Produktionsweise konnte das kleine Handwerk nicht mehr mithalten. Auf der anderen Seite benötigten die neu entstehenden Fabriken Arbeitskräfte, so dass mehr und mehr die vormaligen Handwerker und Bauern unter Aufgabe ihres Landbesitzes oder ihrer Werkstatt in die Städte gingen und zu (Industrie-)Arbeitern wurden.

Sie wurden dort in einer bis dahin unbekannten Weise ausgebeutet, die tägliche Arbeitszeit betrug bis zu 18 Stunden. Arbeitsruhe an Sonn- und Feiertagen gab es nicht. In Kohlebergwerken wurde die billigere Frauenarbeit und Kinderarbeit üblich. Diese Missstände führten nach langen Verboten und Kämpfen letztlich zur Gründung von Gewerkschaften und zur Entstehung der Arbeiterbewegung wie des Marxismus.“

(Seite „Proletariat“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 22. Mai 2012, 17:14 UTC. URL: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Proletariat&oldid=103536081 (Abgerufen: 12. Juni 2012, 10:44 UTC))

Und das Bild vom 1. Mai soll zeigen, dass solche selbstverständliche Errungenschaften, wie die Einführung der 5-Tage-Woche und schrittweise Reduktion der Arbeitszeit von 48 auf 40 Stunden unsere Wirtschaft nicht kaputt gemacht haben. Die Einführung zwischen 1959 und 1965 hat das Wirtschaftswachstum der Bundesrepublik nicht gehemmt. Und so ist es auch beim aktuellen Problem der psychischen Erkrankungen zu sehen. Wenn wir diese Fehltage wieder halbieren könnten auf den Stand von 2000 wäre das eine gute Konjunkturspritze.

Aber wo liegt das Problem? Was hat sich in den letzten zehn Jahren so massiv verändert? Das gravierendste an Veränderung ist sicher die Erreichbarkeit und das ständige Informiert-Sein durch die neuen Technologien (Handy, Smartphone, Laptop, Internet, etc.). Am Anfang war dies  ein Segen. Und man fragt sich heute, wie man ohne Handy ein Meeting früher überhaupt hinbekommen konnte. Aber nun sind wir auch wie selbstverständlich für das Unternehmen erreichbar  – genauer gesagt sind es die Kollegen, die noch schnell was erledigen wollen oder nur eine kurze Frage haben.

Aber ist das so kritisch, dass die Politik einschreiten muss?  Ich meine, wir benötigen Lösungen, die von der gesamten Gesellschaft getragen werden. Einzelne Unternehmen können da gerne mal vorpreschen, wie kürzlich VW, die mit dem Betriebsrat ausgehandelt haben, keine E-Mails mehr am Wochenende auf die Smartphones zu verschicken.  Auf jeden Fall haben wir es hier mit einem gesellschaftlichenm Problem zu tun, dessen Lösung auch durch eine Diskussion in der Öffentlichkeit getragen sein sollte. In diesem Sinne ist der Vorstoß der Bundesministerin sicher zu begrüßen. Aber Politik dauert immer etwas …

Was kann der Einzelne machen?

Es wäre zynisch für jeden Betroffenen, wenn man auf das Ergebnis einer solchen gesellschaftlichen Diskussion warten würde. Deshalb muss jeder Einzelne auf sich selbst achten. Und vor allem Angehörige und Kollegen können unterstützen, von der Fürsorgepflicht des Unternehmens und damit des Vorgesetzten ganz zu schweigen. Alleine findet man da schlecht wieder raus.

In meinen Coachings versuche ich deshalb zunächst meinen Klienten den Unterschied zwischen Engagement für die Arbeit und Assoziation mit der Arbeit klar zu machen. Eine amerikanische Management-Trainerin hat mir mal den einfachen Satz dazu gelehrt: „Leave your ego at the door.“ Unsere Arbeit sollte uns nicht egal sein, denn dann sind wir wahrscheinlich nicht lange erfolgreich. Aber man sollte sie auch nicht zu persönlich nehmen. Wer sich nur über seine Arbeit definiert, rennt fast zwangsläufig in diese Falle.

Mir geht es darum beim Klienten die Augen zu öffnen für Alternativen.  Wer Alternativen hat, der entdeckt schnell den Denkfehler der persönlichen Identifikation mit der Arbeit. Mit den Alternativen entstehen neue Freiräume und damit Möglichkeiten der Entspannung. Wichtig ist, dass am Ende ein Engagement für die Arbeit (welche das dann auch immer ist) wieder entsteht. Denn ohne Arbeit geht es nicht, finanziell und auch vom Lebensrhythmus her. Das Ziel muss sein, dass wir wieder zu einer Arbeit zu finden, die im Großen und Ganzen Spaß macht. Ein Komplettpaket zu diesem Thema ist mein Perspektiv-Coaching.

Gerne würde ich Eure Meinung dazu lesen. Wer sich auf meiner Website anmeldet, der kann hier direkt mitdiskutieren (und bekommt per Newsletter Informationen zu meien neuen Blogs).