Warum Schokolade nicht unbedingt glücklich macht

MP900385807Oxytocin in Nasenspray macht Männer treu“  titelte vor kurzem DER SPIEGEL online. Und in einer 3Sat-Sendung ging es um „Das Liebes- und Kuschelhormon
Bei der Entscheidung, ob wir Vertrauen fassen, ist ein Hormon ausschlaggebend: Oxytocin„. Und sofort geht es auch darum, wie kann man den natürlichen Ocytocin-Anteil im Körper steigern kann.

Erst mal ein Gehirn!

Damit dieser Blog-Eintrag wissentschaftlicher wirkt braucht es dieses Bild. Warum? Man hat Probanden einen Artikel zum Thema Gehirn gegeben. Mit einem Unterschied: die eine Hälfte erhielt den Artikel mit einem Bild eines Gehirns und die andere den unbebilderten Artikel. Der bebilderte Artikel wurde von den Probanden mit einem höheren Kompetenzgrad bewertet. Unser Gehirn reagiert auf alle möglichen Botschaften mit einer Reaktion. Neben den Gehirnzellen spielen Botenstoffe eine wichtige Rolle. Und um diese Botenstoffe geht es.

Was hat das alles mit Schokolade und Oxytocin zu tun? Neuro-Wissenschaftler untersuchen das Gehirn und versuchen die Botenstoffe, die in unserem Gehirn vorhanden sind zu entschlüsseln. Um das Ganze zu beobachten braucht es zunächst eine Hypothese. Man vermutet, daß ein bestimmter Stoff die Menschen zufriedener macht. Dann lädt man sich Probanden ein und teilt diese in zwei gleiche Hälften. Die eine Gruppe erhält den Stoff irgendwie verabreicht und die andere bekommt ein Placebo ohne Wirkstoffe. Und danach testet man mit Übungen oder Fragebögen die Fähigkeiten oder Befindlichkeiten der beiden Gruppen. Ist die Wirkstoff-Gruppe signifikant anders drauf als die Vergleichsgruppe, dann hat man einen möglichen Nachweis auf die Wirksamkeit des Botenstoffes.

Ein Käse-Sandwich erleichtert Entscheidungen

Einer der bekanntesten Botenstoffe ist das Serotonin. Die Neuro-Forscherin Molly Crockett hat in einer Versuchsreihe festgestellt, dass man durch eine Hemmung von Serotonin Menschen dazu bringen kann härter zu entscheiden. Präziser: es wurde die Reaktion auf eine unfaire Entscheidung getestet und die Serotonin-gehemmten Personen tendierten eher zu Entscheidungen, die stärker das Element der Rache betonten. Mittlerweile weiß man aus verschiedenen Untersuchungen, dass Probanden härter urteilen, wenn sie auf harten, unbequemen, statt auf weichen, bequemen Stühlen saßen. Und da Schokolade die Ausschüttung von Serotonin begünstigt, wäre es also klug zum nächsten Bewerbungsgespräch ein Kissen und Schokolade für den Interviewer als Geschenk mitzubringen.

Das ist natürlich Quatsch: all diese Botenstoffe begünstigen ein Verhalten. Es immer ein statistisches Ergebnis. Das muß aber auf den einzelnen nicht zutreffen. Molly Crockett warnte deshalb auch jüngst davor nun die Ergebnisse sofort in den Hausgebrauch zu überführen. Das beschreibt sie in einem TED-Vortrag: Oxytocin wir in allgemeinen als „Kuschelhormon“ oder „Bindungshormon“ bezeichnet. Allerdings wird dabei verschwiegen, dass dieses Hormon in Versuchen auch andere Reaktion hervorgerufen hat – Neid – Schadenfreude – und etwas was man „Wagenburg-Denken“ nennen könnte. Weitesgehend wird also die Toleranz für Andere oder Andersartigkeit unterdrückt.

Tipp: Vorsichtig sein mit Vereinfachungen von wissenschaftlichen Erkenntnissen

Wenn aufgrund einzelner Experimente die schreibende Zunft zu platten Aussagen greift, dann sollte man so etwas hinterfragen. Ich selbst versuche mit einer Suchmaschine immer auch mal gerne das Original zu finden. Im „Abstract“ oder in der Original-Publikation steht das dann selten so reißerisch formuliert. Wer seine Skepsis trainieren möchte, den empfehle ich den englischen Vortrag: „Beware neuro-bunk“ von Molly Crockett.