Zusammen allein?

Zum Osterfest möchte ich einen besinnlichen Blog-Eintrag schreiben und ich habe mich für eine Reflexion zum Vortrag von Sherry Turkle: Connected, but alone? entschieden.

Sherry Turkle (geb. 1948) ist Professorin für  Soziologie und hat sich sehr früh mit den Implikationen der neuen Computerwelt auseinandergesetzt. Unter anderem befasst sie sich mit dem psychologischen und menschlichen Aspekten, die durch die Kommunikation über neue Medien und und mit neuartigen sozialen Robotern, die mittlerweile in einigen Ländern getestet werden, entstehen.

Worum geht es?

Anfänglich war Sherry begeistert von den neuen Medien. Die Möglichkeit sozusagen künstliche, weitere Selbst seiner eigenen Persönlichkeit im Netz zu repräsentieren und auszuprobieren, könnte uns helfen besser im realen Leben zu agieren. Das ist auch so eingetreten. Wir entwickeln im Netz andere, weitere Fähigkeiten.

Was sich aber auch verändert sind die Fähigkeiten, die im Netz nicht so gefordert sind. „Diese Geräte verändern nicht nur was wir tun. Sie verändern wer wir sind.“ (Zitat@2:40) Sherry bemängelt, dass man nicht mehr voll bei der Sache ist: Wir gehen in ein Meeting und hören nur die Teile, die uns interessieren. Den Rest der Zeit sind wir in Facebook, etc. Dadurch sind wir zwar mit mehr Menschen in Verbindung – aber zwischenmenschlich eher einsam. Ein echter Dialog verlangt mehr und vor allem andere Fähigkeiten als der Chat über diese neuen Geräte.

Ein Dialog findet in realer Zeit statt, an einem realen Ort, mit einem realen Menschen und dessen realen Reaktionen – und vor allem dem eigenen Reaktionen. „Man hat keine echte Kontrolle, über das was man sagt.“  (Zitat@6:35). Ihr Ergebnis ist: die sozialen Medien und ihre Konversationsmöglichkeiten verdecken, eine „Schwäche“ des Menschen. Wir verwechseln Konversation mit „Connection“.  Wenn ich nur mit jemanden texte und nicht direkt spreche, dann kann ich „editieren“ und „löschen“. Damit werden unterbewusste Reaktionen leichter getilgt. Unser Selbst im Netz agiert sozusagen immer voll bewusst und kontrolliert (außer, wenn man sich unter dem Einfluss von Alkohol etc. uns an PC setzen).

Die Fähigkeit mit Anderen zu sprechen ist aber auch immer die Fähigkeit mit uns selbst zu sprechen. Verlieren wir diese Fähigkeit mit Anderen, dann verlieren wir die Fähigkeit sich mit uns selbst auseinanderzusetzen. „Wir erwarten mehr von der Technologie und weniger von uns selbst. Technologie begeistert uns am meisten, wo wir am verletzlichsten sind. Wir sind einsam denn für fürchten uns, zu intim zu werden.“   (Zitat@12:00)

Dialog bedeutet Nähe und Nähe bedeutet verletzbar zu sein. Technologie gibt uns „Die Illusion von Geselligkeit ohne die Anforderung einer (echten) Freundschaft.“ Unser Denken wird von drei Paradigmen beim Thema neue Medien beeinflusst.

  1. Wir können unsere Aufmerksamkeit überall hin lenken, wo immer wir sein wollen.
  2. Wir werden immer gehört.
  3. Wir werden nie alleine sein.

„Alleine sein fühlt sich wie ein Problem an, dass man lösen muss.“  Momente, in denen wir alleine sind, sind aber auch Momente der Ruhe, die uns erlauben, den inneren Dialog mit uns selbst zu führen. Wenn wir nicht mehr Zeiten der Ruhe für uns finden, dann finden wir auch keine Zeit mehr für uns und mit uns. Sherryl Turkle hat 1996 schon einmal auf einer TED-Konferenz gesprochen und damals gesagt: „Diejenigen, die das meiste aus ihrem Leben auf dem Bildschirm machen, können zu einem Geist mit mehr Selbstreflexion kommen.

Was ist davon zu halten?

Prinzipiell kann man feststellen, dass Menschen sich in unterschiedlichen Kreisen manchmal anders verhalten. Wer zu hause eine liebevoller Familienmensch ist, der mag in der Arbeit mit mehr Strenge walten (umgekehrt ist das eher weniger empfehlenswert).  Wenn dann ein Firmenessen mit Familie angesetzt wird, dann bemerkt man, wo solche Spannungen vorhanden sind. Wir probieren gerne mal etwas anderes aus, wenn es in unserem Leben „Brüche“ gibt (Firmenwechsel, Schulwechsel, etc. ).

Der Kern der Rede von Shelly Turkle ist für mich „Authentizität“.

Wer zu den Menschen gehört, die einigermaßen deckungsgleich agieren, egal ob Freunde, Kollegen, Verwandte, etc., der kann mit seinem Leben leichter umgehen. Derjenige hat sozusagen schon seine Ideal-Rolle gefunden und kann authentisch danach leben. Wer dort (noch) nicht ist, der benötigt unbedingt Zeiten der Selbstreflexion. Und dazu gehört auch, dass man wieder lernt sich zu besinnen und sich mit sich selbst zu beschäftigen. Wer mit sich im Reinen ist, der kann auch leichter mit seinem Umfeld ins Reine kommen oder im Reinen sein.

In diesem Sinne wünsche ich allen meinen Lesern ein besinnliches Osterfest …