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Über die Tücken der Wissenschaft

Im SPIEGEL ONLINE steht ein spannender Artikel (http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,760220,00.html). Dabei geht es um den Sinn und Unsinn der fMRT, der funktionellen Magnet-Resonanz-Tomographie. Diese fMRT spielt in der modernen Neuropsychologie eine große Rolle:

Dem Gehirn beim Denken zusehen
Der große Traum der Wissenschaft, ist es dem Gehirn beim Denken zusehen zu können. Mit dem fMRT kommt man der Sache sehr nahe. Dazu wird das Gehirn so gescannt, dass man ein dreidimensionales Abbild erhält. Gemessen wird dabei die Sauerstoff-Konzentration in einzelnen Bereichen. Dem liegen bestimmte Annahmen zugrunde:

  1. Alle Gehirne der Menschen haben die gleichen funktionalen Bereiche an der gleichen Stelle (z.B. ein bestimmtes Schmerzempfinden zeigt sich bei jedem Menschen an der gleichen Stelle im Gehirn)
  2. Aktivität im Gehirn zeigt sich durch bessere Durchblutung und damit mehr Sauerstoff

Wie bei jeder Forschung mit einer Beobachtung gibt es die Gefahr der der Über-Interpretation von Daten. Das ist nicht nur bei den Neurowissenschaften der Fall. Wer sich für die typischen Fehler der Statistik interessiert, den empfehle ich zwei Bücher („Der Hund, der Eier legt: Erkennen von Fehlinformation durch Querdenken“ und „Der Schein der Weisen: Irrtümer und Fehlurteile im täglichen Denken„).

Beim fMRT gibt es zwei Gefahren:

  1. Viele Wissenschaftler kennen sich mit den Tücken einer Statistik nicht aus
  2. fMRT-Untersuchungen sind zeitaufwendig
  3. Die Zeit im fMRT ist teuer und
  4. Es geht dabei oft nur um Nuancen der Veränderung, die man messen kann

Sollte man deshalb den gesamten Ergebnissen der Neuropsychologie misstrauen?
Ich glaube, ein solches Ergebnis ist sicher falsch, denn die meisten Forschungsergebnisse werden seriös geprüft und erst dann veröffentlicht. Der im SPIEGEL zitierte fMRT Experte Poldrack bringt es auf den Punkt „Wenn eine Geschichte zu einfach klingt, um wahr zu sein, dann ist sie oft auch nicht wahr“.

Ich selbst nehme solche Artikel gerne zu Anlass über den Fluch und den Segen dieser Technologie zu berichten. So habe ich auf meiner Facebook-Seite den Nonsens bestimmter Interpretationen hingewiesen. Genauso wichtig empfinde ich es aber auch bestimmte, seriöse Ergebnisse zu würdigen. So hat man festgestellt, dass physischer Schmerz (mit dem Hammer auf den Daumen gehauen) und psychischer Schmerz (Trennung) im selben Gehirnareal auftauchen. Natürlich unterscheiden sich beide in bestimmten anderen Bereichen. Aber Schmerz ist Schmerz. Und vielleicht kommen wir damit den psychosomatischen Erkrankungen näher, wenn uns psychische Probleme auf den Magen schlagen oder Ähnliches. In diesem Sinne empfehle ich Bücher von Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer zu diesem Thema zu lesen. Eine Empfehlung ist dabei: Geist im Netz: Modelle für Lernen, Denken und Handeln

Ein Märchen, die Wahrheit und die Wirklichkeit

Die Headline dieses Blogs klingt etwas merkwürdig. Trotzdem möchte ich mit einem Märchen beginnen (frei nach Jürgen Hargens):

Es war einmal eine Hexe, die schon ziemlich alt war. Und als sie merkte, dass ihre Fähigkeiten zu hexen immer mehr abnahmen beschloss sie in den dunklen Wald zu gehen und sich ein schönes Plätzchen für ihren Lebensabend zu machen.

An einer Stelle, wo der Wald sehr dicht und dunkel war und wo sicher kein Mensch hinkommen kann zauberte sie sich ein Hexenhäuschen mit Lebkuchen als Wände und Dach und Zuckerglasur als Scheiben. Und so lebte sie in den Tag hinein und war zufrieden mit ihrem Werk.

Eines Tages hörte sie wie jemand etwas von dem Lebkuchenhaus abbrach. Sie fürchtete sich und fragte: „Knusper, knusper, knäuschen, wer knuspert an meinem Häuschen?“ Von draußen kam die Antwort: „Der Wind, der Wind, das himmlische Kind.“ Die Hexe wollte sich aber nicht verulken lassen und ging vor das Haus. Dort traf sie auf zwei Kinder, die sagten, dass sie sich verlaufen haben.

Die Hexe lud sie in ihr Haus und kochte was zu Essen und gab ihnen für die Nacht ein Platz zum Schlafen. Am nächsten Morgen erwischte sie die Jungen, wie er schon wieder etwas vom Lebkuchenhaus abbrach. In ihrer Verzweiflung sperrte sie den Jungen in den benachbarten Stall, der aus Stein war.

Und sofort machte sie sich daran wieder Essen für die Kinder zu machen. So ging das ein paar Tage. Und als sie wieder einmal vor dem großen Backofen stand, da wurde sie von dem Mädchen in den Backofen gestossen und musste jämmerlich verbrennen. Die Kinder aber fanden den Weg aus dem Wald und erzählten von einer Hexe, die sie gefangen gehalten hat.

Die meisten kennen dieses Märchen nicht von Jürgen Hargens, Psychotherapeut aus seinem Buch: Systemische Therapie… und gut: Ein Lehrstück mit Hägar, das ich nur empfehlen kann. Die meisten kennen eher die Version der Gebrüder Grimm.

Und damit bin ich nun beim Thema Wahrheit und Wirklichkeit. In unserem Kopf gibt es das Konzept der Wahrheit. Es sind Wahrnehmungen und Interpretationen, die sich in unserem Denken als „unsere“ Wahrheit etablieren. Grundlage ist unser Vertrauen in unsere Beobachtungsgabe. Ist dieses Weltbild in sich sehr geschlossen udn weit weg von den Vorstellungen der Anderen, dann haben Außenstehende das Gefühl es mit einem starrköpfigen Menschen zu tun zu haben. Charly Sheen, der Schauspieler aus „2 and a half man“ ist momentan so ein Beispiel. Ich wähle aber auch gern Troubadix, der Musiker aus Asterix & Obelix, dessen Sangeskunst von allen anderen im Dorf immer sofort im Keim erstickt wird, der sich selbst aber immer wieder für unwiderstehlich hält.

Philosophisch betrachtet ist unsere Wahrheit im Kopf gar keine Wahrheit. Die Philosophen rätseln eher darum wie man objektive Wahrheit feststellen kann. Aus psychologischer Sicht geht es eher darum Menschen zu helfen, die merken, dass ihre subjektive Wahrheit mit der Wirklichkeit nicht mehr im Einklang steht.

Auch bei „Wirklichkeit“ droht schon wieder Philosophie-Alarm. Und nicht nur das: der radikale Konstruktivismus in der Psychologie stellt infrage ob es denn überhaupt so etwas wie Wirklichkeit gibt. „Die Kernaussage des RK besagt, dass eine Wahrnehmung niemals ein Abbild der Realität liefert, sondern immer eine Konstruktion aus Sinnesreizen und Gedächtnisleistung eines Individuums ist. Deshalb ist Objektivität im Sinne einer Übereinstimmung von wahrgenommenem (konstruiertem) Bild und Realität unmöglich; ausnahmslos jede Wahrnehmung ist subjektiv. Darin besteht die Radikalität (Kompromisslosigkeit) des radikalen Konstruktivismus.“

Woher kommt es eigentlich zu diesen Fehlern in unserem Denken? Da kann man sicher vieles aufzählen. Da haben wir den Aufmerksamkeitsfilter, den ich auf meiner Website verlinkt habe. Zählen Sie doch einfach mal die Ballkontakte der Mannschaft mit den weißen T-Shirts. Sind es 20 oder 22? Und was ist Ihnen noch ausgefallen? Nichts Besonderes? Dann gehören Sie zu den über 60%, die beim zweiten Betrachten des Films ziemlich gestaunt haben.

Ein weiterer Fehler ist die Interpretation. Diese kann jeder bei sich mit dem berühmten Bild „Meine Frau und meine Schwiegermutter“ probieren. Wir können in dem Bild beide Personen erkennen – aber niemals gleichzeitig. Wer das Bild lange einübt kann über seine Gedanken blitzschnell steuern was er sehen will und dann sehen die Augen das. Ein Zeichen, dass die Interpretation in unserem Kopf auch unser „objektives“ Sehen manipuliert. Zum Glück in diesem Fall mal bewusst.

Die Liste der Möglichkeiten, wie unser Gehirn mit seinem Nimbus des „quasi-objektiven“ Wahrnehmens sich/uns immer wieder täuscht, könnte man beliebig verlängern. Tatsache ist, wir haben nur dieses eine Gehirn. Und eine selbstkritische Haltung auch unseren Gedanken gegenüber hilft uns manchen Fehler zu vermeiden. Mit diesem Denkanstoß möchte ich diesen Blog beenden. Ich bin zwar überzeugt, dass die meisten Leser in dem Bewusstsein leben, dass nicht alles im Kopf Wahrheit ist, aber wenn man sich mal umsieht, dann findet Ihr vielleicht ein paar Leute, denen dieser Blog etwas weiterhilft.

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Wer hilft, dem wird geholfen

Eigentlich wollte ich zwischen den Jahren keinen Blog schreiben. Aber dann ist mir der aktuelle SPIEGEL der Weihnachtswoche (51/2010) und der Artikel auf der Seite 126 dazwischen gekommen. Da geht es um die neusten Erkenntnisse der Soziobiologie. Dabei geht es in dem Artikel um menschliches Verhalten, bei dem aus evolutionshistorischer Sicht keine (gute) Erklärung gibt (oder gab).

Ist der Mensch ein geborener Altruist?

Mutter Theresa macht den Forschern einfach nur Probleme. Wenn die Evolution eigentlich nur “Nahrung und Paarung” als (bisher von Wissenschaften) anerkannte Mechanismen zulässt, warum kümmern sich mancher Menschen aufopferungsvoll um Andere ohne eine direkten Nutzen daraus zu ziehen? Der SPIEGEL-Artikel kommt zu einem einfachen Schluss: Altruismus ist ein Form der Kooperation und diese Kooperation hat sich als hilfreicher Mechanismus zum Überleben in und mit der Gruppe gezeigt. Wir machen gleichsam nur deshalb etwas für Andere, weil wir anderweitig aus der Gruppe etwas zurückbekommen.

Damit liegt der Artikel nahe an dem Buch von Richard David Precht Die Kunst, kein Egoist zu sein: Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält, den ich in meinem letzten Blog schon besprochen habe. Precht geht dabei einfach von einem angeborenen Hang zur Kooperation aus. Der SPIEGEL-Artikel zitiert Martin Nowak von der Harvard Universitiy, der davon überzeugt ist, “dass Selbstlosigkeit eine Art Statussymbol darstellt …” (Zitat aus SPIEGEL). Als Beleg müssen Spender her, die Ihre Spende gerne mit ihrem Namen zieren, wie beispielsweise die “Melinda und Bill Gate Foundation”.

Soweit, so schlecht. Aber ist das ein gutes Erklärungsmodell?

Warum handeln wir Menschen so wie wir handeln?

Schon in meinem letzten Blog habe ich versucht zu erläutern, dass unser menschliches Handeln zwischen verschiedenen Polen angesiedelt ist.

Amygdala – das ist unsere Zentrale für die schnelle Reaktion bei einer angenommen Bedrohung. Egal ob wir etwas hören, sehen, riechen, schmecken oder fühlen, immer hat die Amygdala als erste davon Kenntnis (etwa 200-300 Millisekunden nachdem unsere Sinnesorgane das beunruhigende Signal erfasst haben). Und dann wird sofort reagiert bevor andere Bereiche des Gehirns noch ihren Senf dazu geben können. Dieser Mechanismus soll vor allem unserem Überleben dienen – er wirkt aber immer mit und nimmt uns manchmal im Gespräch die Chance einer guten Diskussion (vgl. mein Blog: Diskussion und Talkabende).

Nucleus accumbens – das Belohnungszentrum ist ein gigantischer “Gefällt Mir” Button. Wenn irgendetwas besser ist als wir es erwarten, dann gefällt uns das und der Nucleus Accumbens schickt Botenstoffe aus, die unsere Stimmung anheben, das gilt für den Flow, den ich schon in einem Blog besprochen habe und es gilt genauso als der Mechanismus für die Sucht.

Präfrontaler Cortex (PFC) – während die beiden ersten Vertreter ihr Geschäft eher im unterbewussten verrichten ist der PFC das, was man gemeinhin unter dem Bewusstsein versteht. Hier werden (zum Teil erst nachträglich) Begründungen für unser Handeln gefunden.

Natürlich gibt es über das Gehirn noch viel mehr zu wissen, aber für die Gedanken zum Altruismus reichen diese drei Vertreter aus, denn sie bestimmen unser Handeln maßgeblich. Wir handeln oft entlang dem Faden, den unser Belohnungszentrum aufspannt, solange die Spaßbremse Amygdala nicht einschreitet. Erst wenn die eigene Bewertung und die der Anderen hinzukommt ist der PFC gefragt. Die Bewertung unseres Handelns macht aus einer Handlung Altruismus. Bill Gates mag genauso motiviert Software geschrieben und verkauft haben wie Mutter Theresa motiviert war in Kalkutta arme Kinder zu unterstützen. Erst unsere Bewertung beurteilt diese Handlungen anders.

Wenn ich diesen Artikel schreibe, so habe ich zunächst einmal ein gutes Gefühl, etwas mitteilen zu können, was ich aus den unterschiedlichen Büchern gelernt und als Wissen extrahiert habe. Die Chance es Anderen zur Verfügung zu stellen ist eher ein Antrieb für ein Mehr an Qualität. Wenn Andere diesen Blog später wieder gut finden, dann erhöht das nachträglich nicht meine Motivation sondern fließt eher in die folgenden Blogs wieder mit ein. Aber mein primärer Antrieb für den Blog war nicht primär die Anerkennung, sondern ein diffuses Mitteilungsbedürfnis zu Themen der Zeit rund um das Gehirn.

Die Menschen tun also nicht etwas Gutes, weil sie etwas Gutes tun wollen – sie tun es aber auch nicht, weil sie erwarten, dass sie dafür anderweitig belohnt werden. Menschen tun etwas, weil es ihrem inneren Antrieb entspricht – erst die Bewertung der Anderen macht daraus ein Altruismus (der für kommende gleiche Handlungen motiviert.) Das Geben und Bekommen ist sozusagen ein Automatismus, der durch das Handeln des Einzelnen entsteht, indem das was er macht für Andere wieder von Nutzen ist. Wir geben also weil wir etwas geben wollen. Wenn wir etwas zurückbekommen, dann ist umso besser.

Literatur: Der SPIEGEL 51/2010 (Artikel nicht online)
Richard David Precht: Die Kunst, kein Egoist zu sein: Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält bei Amazon (erschienen 2010)

 

In eigener Sache: Dieser Artikel wurde mit dem Windows Live Writer erstellt und nicht mehr mit BlogDesk – ich hoffe, die Änderungen im Design sind okay.
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