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BurnOut – Modekrankheit, Depression oder was?

Letzte Woche hatte ich eine spannende Diskussion zum Thema: „Ist BurnOut nur ein neuer Name für eine Erschöpfungsdepression?“ Basierend auf einen Artikel der aktuellen „Psychologie Heute“, in dem Isabella Heuser (Prof. f. Psych.) die Meinung vertritt, dass der BurnOut in seiner Auswirkung vergleichbar mit der schon lange bekannten Erschöpfungsdepression ist.

Zeitgleich ist im Spiegel ein Interview mit Ulrich Hegert (Prof. f. Psychologie) erschienen, in dem er vor der Modekrankheit „BurnOut“ warnt, weil dahinter einfach nur eine Erschöpfung durch Überlastung stecken kann oder aber eben eine echte Depression, die man dann auch so beim Namen nennen sollte. Das Fatale hierbei ist, dass Erschöpfung durch Ruhe leicht gebessert werden kann (Urlaub, Auszeit, etc.) – in einer Depression ist aber Ausschlafen eine kontraproduktive Indikation, weil laut Ulrich Schlafentzug eher heilend wirkt.

Wie entsteht eigentlich BurnOut?

Zunächst beginnt alles mit einem Sehnsuchtsziel der Menschheit. Manchmal wird das in der Psychologie auch Wunschziel oder als verzerrtes Denken bezeichnet. Aber viele haben den Gedanken, dass man perfekt sein muss. Und mit diesem Enthusiasmus stürzt man sich in die Arbeit. Und dieses Engagement wird belohnt. Man hat Erfolg. Aber in unserer kleinteiligen Arbeitswelt kommt es eben auch oft zu Ablehung ohne, dass es eine gute Erklärung gibt. Wer für sich eine solche Erklärung findet (beispielsweise: Die Arbeit / Den Vorgesetzten / Die Entscheidung der Anderen nicht so ernst zu nehmen), dem gelingt es auch, sich weiterhin zu engagieren.

Findet man aber keine gute Erklärung für die Zurückweisungen in der Arbeit, dann beginnt die Phase der Dehumanisierung: man hardert mit dem gesamten Umfeld. Man wird agressiv gegenüber seinen Angehörigen und Kollegen. Zynismus macht sich breit. Statt Engagement geht es nur nach einer Frustration nur mit zusätzlicher Anstrengung weiter.

In dieser Phase aus Agression, Verzweiflung, Anstrengung und erneuter Frustration kommt es dann zum BurnOut.

Was ist denn nun BurnOut?

BurnOut-Erkrankte klagen über die typischen Merkmale, die man auch bei einer Depression beobachten kann: Antriebslosigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, tiefe, grundlose, oft langanhaltende Phasen von Traurigkeit. Tatsächlich werden auch viele BurnOut-Erkrankte mit Anti-Depressiva behandelt. Ist also BurnOut nur ein neuer Mantel für eine altbekannte Erkrankung? Und sind die steigenden Zahlen von derartigen Erkrankungen eher ein Zeichen, dass man einen BurnOut leichter akzeptieren kann als eine Depression?

Dazu eine Überlegung: Depressionen entstehen eigentlich aus psychologischer Sicht nicht kurzfristig über ein paar Jahre. Wikipedia listet vier psychologische Erklärung-Ansätze für Depression auf. Und mit Ausnahme der klassischen Verhaltenstherapie (die per Definition nicht nach den Ursachen fragt) sehen diese Ansätze die Ursachen einer Depression eher in Defiziten, die man Kindheit und Jugend durchlebt hat. Und damit würde die Arbeitswelt eher der Auslöser (Katalysator) sein statt eigentlicher Verursacher.

Ich persönlich halte den Ansatz für schwierig irgendwo in der Kindheit ein unbearbeitetes Trauma zu finden, dass als Auslöser herhalten muss. Viele an BurnOut-Leidende, die ich sprechen konnte, leiden konkret an einer Herabwürdigung ihrer Persönlichkeit im beruflichen Kontext. Ob eine Leistung im beruflichen Kontext ausreichend ist oder nicht ist selten messbar. Man kann bestenfalls Ziele vereinbaren, aber auch das ist ein subjektives Kriterium – selbst wenn es zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter besprochen und akzeptiert war. Allein die Erkenntnis, dass die Beurteilungssysteme im Unternehmen niemals objektiv sind ist für manchen BurnOut-Leidenden schon eine hilfreiche Erkenntnis.

In den kommenden Wochen werde ich noch mehr zum Thema BurnOut schreiben. Für mich liegt das Kernproblem in einer zum Teil entwürdigenden und erniedrigenden Behandlung von Mitarbeitern, die man für die aktuelle Position nicht mehr haben will. Dabei mag das Problem auch bei dem Mitarbeiter liegen, der sich nur ungenügend auf sich verändernde Arbeitsbedingungen einstellen kann. So etwas mit Einfühlungsvermögen zu lösen und dabei Sorge zu tragen, dass jeder sein Gesicht wahren kann ist schwierig; insbesondere wenn es (scheinbar) keine Alternativen für den betroffenen Mitarbeiter gibt. Aber wenn man nur versucht den Mitarbeiter das Lebens schwer zu machen dann leiden viele darunter. Dazu mehr in der kommenden dreiteiligen Serie zum Thema BurnOut …

Über das Nein!-Sagen

Die aktuelle Psychologie Heute wirbt mit der Headline: „Öfter mal nein sagen! Die beste Medizin gegen den BurnOut“

Warum ist es so schwer Nein zu sagen?

Ein Nein (oder eben ein Ja) ist die Reaktion auf die Anforderung eines Anderen. Jemand will (oder möchte) etwas von uns. Meistens ist ein Teil unserer Zeit, manchmal ist es aber auch ein Teil unseres Hab und Gutes, denn der Andere begehrt. Es gibt drei klassische Antwortverhalten und alle haben das gleiche Ergebnis: das gequälte Ja, das schroffe Nein und das gewundene Jein.

Das gequälte Ja soll dem Gegenüber signalisieren, dass man das dieses eine Mal das Verlangte noch macht und dann doch bitte nicht wieder. Dabei geht man davon aus, das die verborgene Meta-Botschaft beim Anderen auch so ankommt. Das ist aber oft nicht der Fall, entweder, der Gegenüber bemerkt den Missmut nicht oder er übergeht ihn schlicht und vergißt ihn wieder und flugs haben wir beim nächsten Mal wieder eine nette Anfrage. Abgesehen von der Tatsache, dass einem selbst, die gequälte Antwort selbst leid tut- der Andere wird doch sicher gute Gründe haben, wenn er gerade uns fragt und wir reagieren so …

Das schroffe Nein entbindet uns zwar kurzfristig von der Last. Aber dann kommen die Zweifel: War das rechtens? Werden wir jetzt selbst nie wieder denjenigen um etwas bitten können? Können wir überhaupt noch Andere um etwas bitten, wenn wir uns selbst so schlecht verhalten. Auf jeden Fall werden wir beim nächhsten Mal wieder Ja sagen …

Das gewundene Jein enthält meistens eine windige, oftmals erfundene Begründung, warum wir diesmal nicht Ja sagen können. Neben der Tatsache, dass man wegen einer (Not-)Lüge ein schlechtes Gewissen bekommt, so wissen wir auch, dass Lügen kurze Beine haben. Wenn also die erfundene Begründung als Lüge überführt ist, dann stehen wir aber ganz schön dumm da. Also beim nächsten Mal sagen wir besser mal wieder Ja …

Drei Antworten und ein Ergebnis: am Ende landen wir immer bei einem Ja.

Woher kommt die Problematik des nicht Nein sagen zu können?

William Ury, der in dem „Psychologie Heute“ Artikel zitiert wird, verortet das Problem in die frühe Kindheit. Ab etwa dem 18. Monat entdeckt das Kleinkind das Ich („Will nicht!“, „Mein Teddy!“, „Haben will!“). Hier können die Eltern viele falsch machen, aber auch viele richtig. Wird in dieser Zeit auch mal ein Nein vom Kleinkind akzeptiert lernt es Eigenständigkeit und Selbstwert. Wird dem Kind aber alles erlaubt, dann hat man bald einen kleinen Tyrann im eigenen Haus. Wird dem Kind bei seinem Nein allerdings systematisch der Wille gebrochen, dann wird es später mit dem Nein schwieriger. Aber wir alle haben in unserer Kindheit bei einem Nein den Gegenwind gespürt und nur wenige sind davon völlig unbeschadet rausgekommen. Es ist nicht zuletzt unsere (gute) Erziehung, die uns vor einem Nein zurückschrecken läßt. Und deshalb ist es oftmals hart für uns es auszusprechen.

Wie kann man richtig Nein sagen?

William Ury emfiehlt in seinem Buch „Nein sagen und trotzdem erfolgreich verhandeln: Vom Autor des Harvard-Konzepts“ ein dreistufige Methode zu einem „positiven Nein“: (1) Ja zu sich selbst sagen, (2) eine klare Grenze ziehen und (3) ein Angebot machen.

(1) Ja zu sich selbst sagen: Bevor man brüsk dem Anderen ein Nein entgegen schmettert, sollte man einfach klar die eigene Befindlichkeit äussern. Wer also ein Nein sagen möchte, der sollte für sich selbst erstmal eine gute Begründung finden, warum er dieses nicht machen kann. Ich weiß, dass so etwas einfacher klingt als es ist. Wer seinem Chef erklärt, dass er jetzt seiner Famillie Priorität einräumen will, der wird keine begeisterten Blicke ernten. Es ist aber wichtig zunächst einmal die eigenen Werte zu verdeutlichen. „Ich kann diesen Bericht nicht bis heute abend fertigstellen, weil ich an drei Abenden schon bis 20 Uhr gearbeitet habe und deshalb heute für meine Familie da sein möchte.“

(2) eine klare Grenze ziehen: Nachdem man die eigenen Werte und die eigene Befindlichkeit dargelegt hat, muss man Klartext reden und sagen, was man derzeit eben nicht zu leisten vermag. Das kann man sehr respektvoll einkleiden und es sollte eben auch eine klare Genzlinie ergeben. „Und deshalb möchte ich heute pünktlich aus dem Büro kommen.“

(3) ein Agebot machen: Es gibt eine guten Grund, warum der Andere diese Aufgabe an uns übertragen will – entweder kann er sie selbst nicht erledigen oder er hat die Befugnis etwas an uns zu delegieren. Egal wie, eine Alternative sollte nun folgen. „Ich kann morgen anstelle des Team-Meetings diesen Bericht fertigstellen, wenn Sie mich vom Meeting entbinden.“

Es ist nicht einfach!

Diese Sequenz ist keine Musterlösung. Aber sie ist ein Anfang. Nein-Sagen muss man erlernen. Dazu benötigt man eine guten Blick auf die eigenen Bedürfnisse und ein geübten Blick für einen Kompromiss. Sprechzeiten im Büro sind übrigens ein typisches Beispiel für diese Sequenz: (1) Die vielen Störungen machen unproduktiv,(2) man benötigt Zeiten in denen man ungestört arbeiten kann und (3) deshalb vereinbart man mit den Kollegen Sprechzeiten, in denen man gestört werden kann (oder Ruhezeiten, in denen man ungestört sein möchte).

Implizit steckt in dieser Logik auch der Satz: Man kann nicht immer Nein sagen. Das macht einsam und womöglich auch arbeitslos. Wir sind nun mal kooperative Wesen. Die Kunst des Nein-Sagens besteht darin, Grenzen zu ziehen ohne den Anderen zu verletzen.