Jetzt oder doch später?

Um diese Versuchsreihe ranken sich Mythen: Kindern wurde eine Süßigkeit vorgelegt. Dann wurde ihnen erklärt, dass der Versuchsleiter nun den Raum verlässt und wenn er wiederkommt und die Süßigkeit ist noch unversehrt (unverzehrt:-)), dann gäbe es die doppelte Ration. Berühmt wurde dieses Experiment, weil in einer Nachuntersuchung die geduldigen Kinder zu kleinen Wunderkindern mutierten: belastbarer, erfolgreicher, etc.

Was ist dran?

Tatsächlich wurde diese Versuchsreihe unter der Leitung des österreichisch-amerikanischen Psychologen Walter Mischel zwischen 1968 und 1974 in einer Schule mit ca. Vierjährigen gemacht. Mischel ging es aber vor allem darum, die Triebfeder für die Geduld zu entschlüsseln. Dabei hatten die Kinder eine Glocke, mit der sie das Warten abbrechen konnten. Es dauerte im Durchschnitt 6-10 Minuten bevor die Kinder unruhig wurden.

Und in Nachuntersuchungen (1980/81) wurde festgestellt, dass die bestimmte Eigenschaften (schulische und soziale Kompetenzen) bei den geduldigeren Kindern häufiger waren. (Achtung: Statistik bedeutet nicht schwarz oder weiß, sondern nur, dass eine bestimmte Eigenschaft häufiger auftrat – es gab also auch unter den Ungeduldigen gute schulische und soziale Kompetenzen).

Eigentlich ging es in dem Experiment darum festzustellen, was es leichter macht „geduldig“ zu sein. So wurde die Belohnung verändert: Marshmallow, Salzgebäck, Spielchips, etc) und die Anordnung variiert (mal wurde die Belohnung direkt vor dem Kind platziert und mal abgedeckt).

Was lernt man daraus?

Mischel untersuchte vor allem den Faktor Geduld in Bezug auf Erfolg. Er kam dabei zu dem (wenig überraschenden) Ergebnis, dass man mit Geduld und Ruhe klarer überlegen kann. Die Kinder, deren Anreiz verdeckt wurde oder die von ihrem Platz sich von dem Anreiz abwandten hielten länger durch (und gehörten dann später natürlich zu der erfolgreicheren Gruppe).

Mit anderen Worten, wenn wir was konzentriert schaffen wollen, dann sollten wir Ablenkung vermeiden. Das kann man trainieren und lernen. Viele Apps und Programme auf PC, Tablet oder Smartphone wollen uns mit „Neuigkeiten“ informieren. Aber brauchen wir das im Moment? Oder lenkt das ab? Man kann das Abschalten und sollte das auch machen. Das ist etwas sehr Einfaches und fast Banales, dass man lernen kann – aber viel zu selten umsetzt. (Ich selbst habe das konsequent gemacht mit der Folge, dass mich Kollegen anriefen, warum ich denn auf ein Mail noch nicht reagiert habe, dass sie vor einer Stunde geschickt hatten.)

Ebenso ergab das Experiment, dass man die kurzfristige Belohnung gedanklich entwerten muss und die langfristige erhöhen. Also nicht nur einfach „Ich schaffe das“, sondern auch darüber nachdenken, wie man dann die „große Belohnung“ bekommt. Vielleicht auch ein Seitenhieb auf das derzeitige „Wir schaffen das“ Konzept. Was fehlt ist die Vision, warum man das schaffen soll. (Aber bitte nicht wieder „blühende Landschaften“). Wer sein Ziel in seinen Vorstellung erreichen kann, der kann geduldiger agieren.

Für die Kindererziehung bedeutet das, nicht immer und sofort auf das drängende, oft lautstarke Verlangen reagieren, sondern dem Kind beibringen, dass sich Warten lohnt. Dazu braucht es mehr als nur einmal streng „Nein“ zu sagen. Es braucht ein Konzept in der eigenen Erziehung, dem Kind im Nachgang eine „echte Belohnung“ zu geben, wenn es geduldig war.

Denn ob Geduld angeboren oder anerzogen ist konnten diese Experimente nicht zeigen. Wohl aber, dass Geduld und Ruhe erlernbar ist und dass man mit dieser Eigenschaft sehr viel weiter kommt. Womit ich wieder beim Thema Residenz bin. Und dazu kann man genügend Tipps in meinen anderen Blogs bekommen. Viel Spaß beim Stöbern.

Ich hab dann mal Angst

New EAV transparentHabt Ihr Euch am Wochenende auch vollgesogen mit diesen Nachrichten aus Paris? Es ist schrecklich, was dort passiert ist. Aber was macht so eine Tragödie mit uns?

Angst!?

„Angst ist ein Grundgefühl, welches sich in als bedrohlich empfundenen Situationen als Besorgnis und unlustbetonte Erregung äußert. Auslöser können dabei erwartete Bedrohungen etwa der körperlichen Unversehrtheit, der Selbstachtung oder des Selbstbildes sein. Krankhaft übersteigerte Angst wird als Angststörung bezeichnet.“ (Wikipedia)

Lesen wir nochmal genauer: die Situationen müssen bedrohlich empfunden werden – sie müssen nicht objektiv bedrohlich sein. Laut ARD Politbarometer haben schon 50% Angst vor der Zuwanderung. Aber sind das bedrohlich empfundene Situationen oder echte Gefahren?

Warum haben wir Angst?

Angst bedeutet erhöhte Aufmerksamkeit, Pupillen weiten sich, Seh- und Hörnerven werden empfindlicher, erhöhte Muskelanspannung, erhöhte Reaktionsgeschwindigkeit, erhöhte Herzfrequenz, erhöhter Blutdruck, Energiebereitstellung in Muskeln, etc. Dieser Mechanismus ist kurzfristig gedacht.

Langfristig ist dieser Mechanismus eher schlecht für uns. Wir zahlen einen hohen Preis. Ausschlaggebend für den Alarm ist ein Bereich im menschlichen Gehirn – die Amygdala. Die Amygdala ist aber eben nur eine Alarmzentrale. Die rationale Begründung für eine länger anhaltende Angst kommt dann von dem prä-frontalen Cortex (PFC). Der schafft dann im Nachgang die Argumente heran und sucht nach Lösungen. Mein Tipp: ich merke mir PFC als „Pressesprecher fürs Chaos“. Und wenn der dann rechte Parolen hört, dann könnte er ungeprüft dieser Lösung verfallen.

Wenn es schief läuft, dann stacheln sich Amydala und PFC gegenseitig auf. Das Schmiermittel ist dabei: Emotion. Was passiert also, wenn wir im Fernsehen all diese Betroffenen sehen? Wir werden emotionalsiert! Und nun sucht der PFC nach Begründungen: die Flüchtlinge, der Islam, etc. Wir haben Dauer-Angst. Denn je mehr wir Emotionales über das Thema hören, desto mehr steigert das die Angst. Wir konditionieren uns geradezu darauf Angst zu bekommen bei diesem Thema.

Zwei Gründe warum man nicht dauernd Angst haben will:

1. Statistisch ist die Gefahr durch einen Terror-Anschlag ums Leben zu kommen sehr gering.  Die Teilnahme am Straßenverkehr ist deutlich gefährlicher. Deutlich! Aber diese Gefahr ist abstrakt. Kennt man einen Verkehrstoten, dann wird die Gefahr möglicherweise subjektiv bedrohlich empfunden. Aber man ist in einer kleinen Gruppe von Trauernden. Und so relativiert man das häufig langsam. Eine kollektiv wahrgenommene Bedrohung wie in Paris lässt uns nicht zur Ruhe kommen. Gemeinsam steigern wir uns dann an den Emotionen hoch – die aber eigentlich keine große Gefahr darstellt. Schließlich macht die Polizei jetzt Ihre Arbeit und wie bereits gesagt, vieles was wir unternehmen ist gefährlicher.

2. Neben dieser sehr theoretisch, rationalen Argumentation gibt es aber auch noch einen wichtigen guten persönlichen Grund nicht dauerhaft Angst zu haben: die Botenstoffe, die unsere Angstreaktion steuern sind Adrenalin und Noradrenalin, die als Stresshormone freigesetzt werden. Das ist gut für den Moment, aber auf die Dauer sind diese Botenstoffe nicht gesund. Herzerkrankungen sind typischerweise Reaktionen, die durch einen dauerhaften Einfluss von Adrenalin entstehen. Zu den möglichen Nebenwirkungen von Noradrenalin gehören Schwindel, Kopfschmerzen, Zittern, Atemschwierigkeiten, Benommenheit, Schwäche, Blässe, Brustschmerzen, Unruhe, weitere Ängstlichkeit und Schlaflosigkeit. Noradrenalin ist stark gefässverengend und kann den Blutfluss zu den Organen reduzieren

Merken Sie etwas? Stress und Angst sind nur kurzfristig sinnvoll. Über einen längeren Zeitraum ist das ungesund. Deshalb braucht unser Gehirn bald Bestätigung. In dieser Verfassung helfen einfache Antworten als Bestätigung und dann ist die „Gefahr der Islamisierung des Abendlandes“ plötzlich subjektiv real. Dann reden noch ein paar Andere mit bei dieser Stammtisch-Parole und schon ist man eingefangen von den rechten Rattenfängern.

Wie kann man Angst begrenzen?

Die Überschrift sagt es schon aus. Angst kann man nicht abschaffen. Das wäre auch fatal. Diesen kurzfristigen Schub brauchen wir. Wir sollten uns aber vor der Dauerbeschallung schützen und über einen längeren Zeitraum in der Lage sein, zu relativieren was gerade geschieht. Resilienz nennt man in der Psychologie die Fähigkeit schnell aus emotional negativem Situationen wieder nach vorne zu schauen.

Wie kann man Resilienz erlernen?

Es gibt zwei Richtungen in uns. Der sympathische Nervensystem steuert die schnelle Reaktion (mit allen eigentlich auf die Dauer ungesunden Nebenwirkungen). Der Gegenspieler (Parasympathikus) ist so angelegt, dass er nur langsam wirkt. Es braucht etwas Zeit „runter“ zu kommen. Deshalb ist es immer eine gute Idee Methoden zu trainieren, die uns helfen schnell wieder in den Zustand der Beruhigung zu kommen.

Ich weiß, jetzt kommt wieder diese „Das wirkt bei mir nicht“ Antwort. Es wie mit dem Sport: von ein paar Trainingseinheiten sieht man nur einen sehr mäßigen Erfolg. Methoden, wie etwa autogenes Training oder Meditation wirken um so besser, je länger man trainiert.

Desensibilisierung

Parallel zum Training von Entspannungstechniken sollte man die konkrete Angst durch Desensibilisierung runter bekommen. Das kann man durch eine Auseinandersetzung mit dem Thema, rationale Überlegungen und Trainings hinbekommen. Vor was habe ich konkret Angst? Wie groß ist die Gefahr?

Man nimmt der Angst Stück für Stück die emotionale Komponente, indem man sich  konkret damit beschäftigt, wie groß die Gefahr ist. Wir leben in einer Welt mit vielen Gefahren. Wie schon beschrieben: Die Teilnahme am Straßenverkehr ist eine der größten Gefahren für Leib und Leben. Nehmen wir die Bedrohung durch Terrorismus als eine weitere (sehr kleine!) Gefahrenquelle in unserem Leben an. Und leben wir damit, ebenso wie wir mit der Gefahr im Straßenverkehr umgehen. Wir sind aufmerksam und wissen natürlich, dass trotzdem etwas passieren kann.

Seit dem 11. September 2001 gilt in New York die Regel: „If you see something say something“. Beobachten wir unsere Umgebung genauer, wenn wir in größeren Menschenansammlungen stehen. Aber wir sollten nicht vergessen, dass das Leben weitergeht und wir jetzt nach vorne schauend mit dieser Zuversicht gehen können – ja geradezu müssen – und hoffentlich auch wollen.

PS: Wenn Sie immer noch Angst verspüren, dann machen Sie einen Termin. Ich helfe Ihen bei der Überwindung.

Achtsamkeit und Meditation

GenießenUnser Gehirn arbeitet ständig. Das ist ein großer Vorteil für die Menschheit. Immer wieder entstehen so neue Ideen – einige werden verworfen und anderen werden probiert und umgesetzt. Soweit so gut. Denn was für die Menschheit gut ist, dass kann den Menschen selbst manchmal nerven. Die ständig wiederkehrenden Gedanken an den Streit mit dem Lebenspartner, dem Anpfiff vom Vorgesetzten, den unbezahlten Rechnungen, etc. Das würde man gerne auch mal abschalten.

In der Psychologie gibt es Übungen, wie man „belastende“ Gedanken für eine gewisse Zeit ausblenden kann. In diesen Übungen lernt man die Gedanken für eine gewisse Zeit zu „parken“ oder irgendwo zu „deponieren“. Manchmal hilft schon ein Blatt Papier als „Parkplatz“ – dort schreibt man auf, was einem zur Zeit in Kopf beschäftigt. Von nun an kann man den aufkeimenden Gedanken wahrnehmen und auf das Blatt Papier verweisen. „Ist doch schon dokumentiert. Brauche ich nicht nochmal zu durchdenken“.

Wer verstanden hat, das Gedanken sich so „führen“ lassen, der hat den ersten Schritt zur Abhilfe haben geschafft. Wir haben erkannt, dass die Situation, die unser Problem ist, erst durch unsere Gedanken ständig präsent bleibt. Und wir haben erkannt, dass man mit Hilfsmitteln dieses Grübeln bändigen kann. Weil unser Gehirn aber immer arbeitet,  benötigt es gezielten Nachschub zur Beschäftigung. Aber dann an etwas „Anderes“ denken ist schwierig weil es nicht konkret ist.

Hier kommen Meditation und Achtsamkeit ins Spiel. Denn unsere Gedanken springen immer von der Vergangenheit in die Zukunft und wieder zurück. „Was habe ich da nur gemacht?“ Wie komme ich da nur wieder raus?“ Wir sind selten im aktuellen Augenblick. Wir nehmen das aktuelle Erleben viel zu selten wahr. Am ehesten passiert uns das, wenn wir für ein paar Sekunden eine schöne Landschaft genießen oder den Geschmack von etwas genau auskosten wollen. Ansonsten erledigen wir die Dinge um uns herum gerne in einem Autopilot-Modus während wir wiederum die Gedanken um unsere Probleme kreisen lassen.

Wie kann man den Moment erleben? Eigentlich ganz einfach: erforschen sie alles was im Moment passiert. Vielleicht sind da Geräusche, ein bestimmter Geruch liegt in der Luft, sie sitzen auf einem Stuhl, spüren die Lehne (sie können auch liegen und spüren wo der Körper aufliegt), etc. Es gibt soviel zu entdecken im aktuellen Erleben. Eine wichtige Regel dabei ist: nicht bewerten! Den Luftzug kann man als kühl empfinden – „zu kühl“ ist eine Wertung. Ebenso wird das Gehirn bald wieder sich mit neuen Gedanken bemerkbar machen. Sehen Sie sich als Beobachter, der diese Gedanken wahrnimmt und sie weiterziehen lässt: „Lieber Gedanke, schön, dass du dich meldest, aber jetzt will ich den aktuellen Augenblick erleben.“ Man wird irgendwann mit einem Gedanken abschweifen und erst nach Sekunden oder gar Minuten sich dieser Tatsache bewusst werden. Das ist okay so. Verabschieden Sie den Gedanken und kehren sie einfach ohne weitere Bewertung zum Erleben zurück.

„Das soll Meditation sein?“ werden Sie nun möglicherweise fragen. Meditation bedeutet im weitesten Sinne sich auf etwas Neutrales zu konzentrieren. Ob man ein bestimmtes Wort, ein Mantra oder ein Gegenstand als Ausgangspunkt nimmt ist Geschmackssache. Manche Meditationen beginnen mit der Beobachtung des Atems. Dabei ist es hilfreich gerade am Anfang immer am gleichen Ort diese Meditation zu machen und in einer gleichen Haltung. Denn Ort und Haltung sind Anker, mit denen wir es uns leichter machen beim aktuellen Erleben zu bleiben. Ein festes Ritual hilft diese Übung schneller zu einem effizienten Erleben zu führen.

Noch zwei Tipps: Die meisten beginnen mit diesen Übungen, wenn die Gedanken von aussen einen schon fest im Griff haben – man Mitten im Problem steckt. Einfacher wäre es diese Übung zu machen, wenn man nicht voll angespannt ist. Sie kennen sicher Momente in denen man etwas entspannter ist (bitte nicht durch den Genuss von Alkohol, denn dann sind unsere Gedanken sehr sprunghaft und die Übung gelingt dann häufig auch nicht). Der Urlaub oder das Wochenende zu Ausspannen sind gute Zeitpunkte sich mit einer Meditation zu beschäftigen.

Und ein zweiter Tipp: setzten Sie sich am Anfang nur kurze Zeiträume. Beginnen Sie mit 3 Minuten, wenn Sie sich damit gut fühlen, dann gehen Sie auf 5 Minuten, dann auf 7, 10 und 15 Minuten. Beste Effekte treten bei 15 bis 25 Minuten auf – natürlich kann man auch mehr machen, aber die Zeit muss man ja dann auch erstmal haben.

Die Tipps im einzelnen

  1. Immer am selben Ort, wenn möglich
  2. Aktuelles Erleben wahrnehmen, nicht bewerten
  3. Bei Abschweifungen zum aktuellen Erleben zurückkehren
  4. Mit 3 Minuten Übung beginnen und dann steigern
  5. Die Übungen auch (und gerade) in Zeiten ohne viel Stress machen
  6. Eine gleiche Haltung (Ritual) erleichtert den Einstieg
  7. Kurze Übungen mehrmals täglich – ab 15 Minuten und mehr mindestens einmal täglich

Nix is so schee wia der Moment,
wo ois so is wias ghert und as Leben kriagst einfach gschenkt.
Und des allerbeste is dabei:
Wennsd den Moment gfundn host, is er vorbei.
(Werner Schmidbauer – Momentensammler)

In diesem Sinne: werden Sie auch ein Momentensammler.