Archiv der Kategorie: Erkennen – Verstehen – Abändern

Alles nur in Deinem Kopf?

„Nur in meinem Kopf“ – Haben Sie bei diesem Song mal auf den Text geachtet?

Ist das alles eine nette Lyrik oder steckt da wirklich was dahinter? Psychologen und Neurowissenschaftler wissen das schon sehr lange. In unserem Kopf ist keine Wirklichkeit, sondern bestenfalls nur ein Abbild davon, eine Landkarte. Und im NLP gibt es den wichtigen Grundsatz: „Die Landkarte ist nicht das Gebiet“.  Zur Verdeutlichung ein paar Experimente:

  • Man nehme den Arm einer Schaufensterpuppe und lege seinen eigene daneben auf einen Tisch. Dann verdecke man die Sicht auf den eigenen Arm mit einem Brett und einem Tuch, sodass der fremde Arm nun ein wenig wie der eigene wirkt. Eine weitere Person betastet nun beide Arme zeitgleich mit dem gleichen Muster. Man sieht also was passiert an der künstlichen Hand und spürt es gleichzeitig an der eigenen, verdeckten Hand. Nach spätestens zwei Minuten, kann der Gegenüber aufhören die echte Hand zu bearbeiten. Man „spürt“ dann die Bewegung auf der künstlichen Hand als wäre es „wirklich“.
  • Ein anderes Beispiel sind optische Täuschungen, bei denen sich scheinbar ein Muster bewegt oder die Perspektiven nicht stimmen. Wir wissen alle, dass ein Muster auf bedrucken Papier sich nicht bewegen kann. Unser Auge sieht eigentlich auch nichts Bewegendes. Es sind die Linien und Formen, die wir bei der Verarbeitung im Gehirn nicht in Einklang bekommen.

Unser Gehirn filtert, ergänzt und interpretiert Informationen und das oft so, dass wir uns dessen nicht bewusst sind und auch nicht bewusst werden. Und somit hat Andreas Bourani absolut Recht mit seinem „Nur in meinem Kopf“. 

Aber warum bemerken wir diese Projektion das nicht? 

In dem Buch Der Ego-Tunnel: Eine neue Philosophie des Selbst: Von der Hirnforschung zur Bewusstseinsethik findet sich sehr eine nachvollziehbare Erklärung. Evolutionsbiologisch gesehen hat uns die Fähigkeit unsere Umwelt bewusst wahrzunehmen sehr weit gebracht. Es erlaubte uns viel differenzierter zu reagieren. Komplexe Konzepte, wie etwa List und Finten bei der Jagd haben uns erfolgreich gemacht.

Eigentlich erlaubt uns das Konstrukt in unserem Gehirn auch andere Welten als die eigene Wirklichkeit zu konstruieren. Das können wir auch, wenn wir beispielsweise für die Dauer eines Films in eine Rolle eintauchen und mit dem Protagonisten leiden, lieben, ja leben. Halluzinationen, wie man sie bei Drogenkonsum verspürt sind typischerweise solche Erscheinungen, wenn das Gehirn, entkoppelt von der Wirklichkeit, eine eigene Welt konstruiert. Evolutionsbiologisch passierte das eher selten. Wer im Angesicht eines Säbelzahntigers erst Mal seinen Sieg erträumt, von dem stammen wir alle nicht ab.

Durchgesetzt hat sich der Typus, der ein robustes Verständnis der Realität in seinem Gehirn projizieren konnte. Und dieses robuste Verständnis der Projektion in unserem Gehirn als Realität anzusehen prägt unser Denken. Dabei verwechseln wir die „scheinbar realistischen“ Gedanken in unserem Kopf mit der Wirklichkeit. Das bedeutet auch, dass wir alle Interpretationen gerne als Wirklichkeit ansehen. Fast jeder von uns kennt das: wie oft haben wir uns in einem anderen Menschen getäuscht – positiv wie negativ?

Was hat all diese nachvollziehbare Überlegung mit uns und dem Lied von Andreas Bourani zu tun?

Die Zeiten, da wir den Säbelzahntiger fürchten mussten sind lange vorbei. Heute haben wir es fast nur mit Gefahren zu tun, die wir Menschen uns gegenseitig bewusst oder unbewusst einbrocken. Damit wird die Sache schwieriger zu berechnen: beim Säbelzahntiger kann man sich darauf verlassen, dass diese Tiere sich artgerecht einigermaßen ähnlich verhalten.

Beim Menschen haben wir das Problem, dass es schwer ist zu unterscheiden, wie etwas von unserem Gegenüber gemeint ist. Unsere „vereinfachte Wahrnehmung“ der Wirklichkeit wird zum Problem, denn wir können uns nicht mehr auf unsere direkte Wahrnehmung verlassen. Dazu ein weiteres Experiment: Man gibt Probanden moralische Entscheidungsfragen und schaut dann, wie sich Sitzmöbel oder Getränke auf die Entscheidungen auswirken. Ergebnis: wir urteilen härter, wenn wir auf hartem Sitzmöbel sitzen oder bittere Getränke (Kaffee) trinken. Unser Unterbewusstes bringt all diese Feinheiten unsichtbar mit auf dem Tisch.

Das Unterbewusste schwingt immer mit!

Unsere interne Projektion der Wirklichkeit wird also von vielen Parametern (interne, gelernte, oft unbewusst wirkende Muster und Erfahrungswerte, eigene Befindlichkeit, Umwelteinflüsse und dem Verhalten des Gegenübers) bestimmt. Aus all dem generiert unser Bewusstsein dann in Bruchteilen von Sekunden Entscheidungen, die unser weiteres Verhalten, ja jedes nachgeordnete Denken, für den nächsten Schritt maßgeblich beeinflusst.

Wir haben keinen anderen Kopf!

„Alles nur in meinem Kopf“ – ist das nun schlimm? Eigentlich nicht, denn wir können ja bemerken, dass wir nur eine Projektion im Kopf haben. Dazu gibt es viele Möglichkeiten:

  • Tagebuch schreiben ist eine einfache Methode, wenn man im Tagebuch reflektieren kann, was am Tag geschehen ist und es nicht nur nutzt den Tag nochmal zu dokumentieren
  • in die Schuhe des Anderen einsteigen – eine Übung, die ich mit Klienten gerne mache, denn durch den Wechsel der Perspektive entsteht auch ein Wechsel der internen Projektion. Wichtig ist hierbei, dass der Wechsel der Position auch gelingt. so tun als ob ist nicht dasselbe wie, in die Person einsteigen (Hilfreiche Fragen: Wie spricht diese Person? Wie sieht sie aus
  • ? Dann einsteigen und weitere Fragen beantworten: Was mache ich als Person X? Was kann ich gut? Was ist mir wichtig?).
  • eine neutrale Beobachterposition finden – ähnlich wie die vorherige Übung – hier ist Abstand wichtig.

Wir können auch unseren Kopf umprogrammieren!

Wir können nicht nur unser Gehirn unterstützen, indem wir stärker reflektiert durch den Tag gehen. Wir können auch unserem Gehirn bewusst andere Impulse zu geben. Ein Beispiel ist die Übung, die ich meinen Klienten mitgebe, wenn das Selbstbewußtsein gestärkt werden soll. Die Übung steht auf meiner Website beschrieben. Und den Erfolg kann man messen. Das habe ich in meinem Blog auch beschrieben.

Fazit

„Alles nur in meinem Kopf“ ist eine völlig richtige Aussage. Und wer das verstanden hat, der kann für sich selbst oder mit der Unterstützung eines Coachs neue Lösungen und Wege finden. Das sehe ich als mein wichtigstes Ziel im Coaching an: Neue Perspektive finden und damit auch zu besseren Lösungen zu kommen.

Gerne interessiert mich Feedback und Erfahrungen zu diesem Thema entweder auf Facebook oder als private Nachricht.

Prokrastination = aufgeschoben ist nicht aufgehoben ….

„Ich sollte arbeiten, aber surfe stattdessen ziellos durchs Internet“ – So oder so ähnlich geht es vielen von uns. Statt eine Aufgabe zu erledigen haben wir nur mal schnell noch etwas Anderes dazwischen geschoben und nun ist ein Haufen Zeit ins Land gegangen und nichts ist vorangegangen. Dieses Aufschieben hat im Englischen schon einen Namen bekommen: procrastination. Der eingedeutschte Begriff scheint noch etwas weniger verbreitet. Aber in Wikipedia kann man ihn schon finden.

Aufschieben, auch Prokrastination (lateinisch procrastinatio „Vertagung“, aus pro „für“ und cras „morgen“), Erledigungsblockade, Aufschiebeverhalten oder Handlungsaufschub ist das Verhalten, notwendige aber unangenehme Arbeiten immer wieder zu verschieben, statt sie zu erledigen. Drei Kriterien müssen erfüllt sein, damit ein Verhalten als Prokrastination eingestuft werden kann: Kontraproduktivität, mangelnde Notwendigkeit und Verzögerung.

So einfach geht das. Schon haben wir ein neues Problemfeld definiert und die Soziologen und Psychologen haben ein neues Betätigungsfeld.

Aber warum können wir nicht bei einer Sache bleiben? Hier spielen verschiedene Faktoren rein. In uns selbst geht es wohl vor allem um Motivation und Willensstärke. Motivation ist aber immer bei uns vorhanden, denn das Surfen im Internet ist ja auch durch etwas in uns motiviert worden (beispielsweise Neugierde). Willensstärke ist da schon ein schwierigeres Thema. Seligman definiert im Englischen sogar eine Gegenpart zu „procrastination“ und nennt das „grit“ bzw. „grittiness“. Noch ist die deutsche Übersetzung von Seligman’s „Flourish“ nicht erschienen. Aber ich freue mich jetzt schon über die Kreativität des Übersetzers bei diesem Wort. Es gibt dazu sogar einen Test, den ich für hochgefährlich halte.

Ist  Willensstärke nicht eigentlich die Fähigkeit, uns gezielt für etwas zu motivieren? Dahinter steckt das evolutionsbiologische Konzept, dass alles was wir tun einer inneren, zum Teil unbewussten Motivation folgt. Der Begriff der Willenstärke und was der Test eigentlich misst, ist das Maß der Fähigkeit sich zu etwas zu motivieren. Und wer sich für willensstark hält, der hat in Wirklichkeit die (un-)bewußte Fähigkeit, sich auch auf scheinbar ungeliebte Aufgaben zu motivieren. Und damit sind wir schon nahe an der Lösung des Problems.

Wir benötigen Motivation und keine Willensstärke. Wir können nur schwerlich verhindern, dass wir mal abschweifen und uns gehen lassen. Aber wir werden uns alsbald dabei erwischen und diesen kurzen Moment des Bewusstwerdens kann man entweder so nutzen, wie wir das immer gemacht haben, nämlich mit diesen „Nur noch eine Seite / ein Mausklick / … “ und schon tauchen wir wieder ein in die vermenintliche Prokrastination, die ja nichts anderes ist als eine fehlgeleitete Motivation. ODER wir nutzen diesen Moment um uns neu zu fokussieren. Dazu hält man am Einfachsten diese 4 nun folgenden Fragen in einem kleinen Zettel parat und beantworten sich selbst diese Fragen kurz schriftlich:

4 Fragen um das Problem zu lösen

  1. Wo bin ich jetzt und was mache ich gerade?
  2. Was wollte/könnte ich stattdessen machen?
  3. Wie würde ich mich fühlen, wenn ich das erledigt habe?
  4. Was wäre der erste Schritt?

Spätestens bei der Antwort auf die Frage 3 wird es spannend. Denn hier sprechen wir direkt unser Belohnungssystem im Gehirn an und motivieren uns mit der vorausgenommenen, aber doch sehr realistischen Vorstellung, wie es sich anfühlt, wenn wir das Ziel erreicht haben. Damit haben wir der unbewußten Programmierung unseres Gehirn ein Schnippchen geschlagen. Jetzt freuen wir uns auf einen früheren Feierabend oder einfach nur darauf beruhigter ins Wochenende zu gehen oder die Wochenendarbeit gespart zu haben oder …
Und die 4. Frage ist natürlich auch so ein Trick. Jeder Marsch beginnt mit dem ersten Schritt und jeder Flow auch. Denn wer weiß? Oft kommt der Spass an der Arbeit ja wieder zurück, wenn man nur mal angefangen ist. Mir geht das regelmässig so, wenn ich beispielsweise meine Steuererklärung vor mir herschiebe. In dem Moment, wo ich anfange alles zusammenzusuchen, geht es plötzlich Ruckzuck.

Feedback zu dem Thema? Wie immer gerne auf Facebook.

BurnOut – Modekrankheit, Depression oder was?

Letzte Woche hatte ich eine spannende Diskussion zum Thema: „Ist BurnOut nur ein neuer Name für eine Erschöpfungsdepression?“ Basierend auf einen Artikel der aktuellen „Psychologie Heute“, in dem Isabella Heuser (Prof. f. Psych.) die Meinung vertritt, dass der BurnOut in seiner Auswirkung vergleichbar mit der schon lange bekannten Erschöpfungsdepression ist.

Zeitgleich ist im Spiegel ein Interview mit Ulrich Hegert (Prof. f. Psychologie) erschienen, in dem er vor der Modekrankheit „BurnOut“ warnt, weil dahinter einfach nur eine Erschöpfung durch Überlastung stecken kann oder aber eben eine echte Depression, die man dann auch so beim Namen nennen sollte. Das Fatale hierbei ist, dass Erschöpfung durch Ruhe leicht gebessert werden kann (Urlaub, Auszeit, etc.) – in einer Depression ist aber Ausschlafen eine kontraproduktive Indikation, weil laut Ulrich Schlafentzug eher heilend wirkt.

Wie entsteht eigentlich BurnOut?

Zunächst beginnt alles mit einem Sehnsuchtsziel der Menschheit. Manchmal wird das in der Psychologie auch Wunschziel oder als verzerrtes Denken bezeichnet. Aber viele haben den Gedanken, dass man perfekt sein muss. Und mit diesem Enthusiasmus stürzt man sich in die Arbeit. Und dieses Engagement wird belohnt. Man hat Erfolg. Aber in unserer kleinteiligen Arbeitswelt kommt es eben auch oft zu Ablehung ohne, dass es eine gute Erklärung gibt. Wer für sich eine solche Erklärung findet (beispielsweise: Die Arbeit / Den Vorgesetzten / Die Entscheidung der Anderen nicht so ernst zu nehmen), dem gelingt es auch, sich weiterhin zu engagieren.

Findet man aber keine gute Erklärung für die Zurückweisungen in der Arbeit, dann beginnt die Phase der Dehumanisierung: man hardert mit dem gesamten Umfeld. Man wird agressiv gegenüber seinen Angehörigen und Kollegen. Zynismus macht sich breit. Statt Engagement geht es nur nach einer Frustration nur mit zusätzlicher Anstrengung weiter.

In dieser Phase aus Agression, Verzweiflung, Anstrengung und erneuter Frustration kommt es dann zum BurnOut.

Was ist denn nun BurnOut?

BurnOut-Erkrankte klagen über die typischen Merkmale, die man auch bei einer Depression beobachten kann: Antriebslosigkeit, mangelnde Konzentrationsfähigkeit, tiefe, grundlose, oft langanhaltende Phasen von Traurigkeit. Tatsächlich werden auch viele BurnOut-Erkrankte mit Anti-Depressiva behandelt. Ist also BurnOut nur ein neuer Mantel für eine altbekannte Erkrankung? Und sind die steigenden Zahlen von derartigen Erkrankungen eher ein Zeichen, dass man einen BurnOut leichter akzeptieren kann als eine Depression?

Dazu eine Überlegung: Depressionen entstehen eigentlich aus psychologischer Sicht nicht kurzfristig über ein paar Jahre. Wikipedia listet vier psychologische Erklärung-Ansätze für Depression auf. Und mit Ausnahme der klassischen Verhaltenstherapie (die per Definition nicht nach den Ursachen fragt) sehen diese Ansätze die Ursachen einer Depression eher in Defiziten, die man Kindheit und Jugend durchlebt hat. Und damit würde die Arbeitswelt eher der Auslöser (Katalysator) sein statt eigentlicher Verursacher.

Ich persönlich halte den Ansatz für schwierig irgendwo in der Kindheit ein unbearbeitetes Trauma zu finden, dass als Auslöser herhalten muss. Viele an BurnOut-Leidende, die ich sprechen konnte, leiden konkret an einer Herabwürdigung ihrer Persönlichkeit im beruflichen Kontext. Ob eine Leistung im beruflichen Kontext ausreichend ist oder nicht ist selten messbar. Man kann bestenfalls Ziele vereinbaren, aber auch das ist ein subjektives Kriterium – selbst wenn es zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter besprochen und akzeptiert war. Allein die Erkenntnis, dass die Beurteilungssysteme im Unternehmen niemals objektiv sind ist für manchen BurnOut-Leidenden schon eine hilfreiche Erkenntnis.

In den kommenden Wochen werde ich noch mehr zum Thema BurnOut schreiben. Für mich liegt das Kernproblem in einer zum Teil entwürdigenden und erniedrigenden Behandlung von Mitarbeitern, die man für die aktuelle Position nicht mehr haben will. Dabei mag das Problem auch bei dem Mitarbeiter liegen, der sich nur ungenügend auf sich verändernde Arbeitsbedingungen einstellen kann. So etwas mit Einfühlungsvermögen zu lösen und dabei Sorge zu tragen, dass jeder sein Gesicht wahren kann ist schwierig; insbesondere wenn es (scheinbar) keine Alternativen für den betroffenen Mitarbeiter gibt. Aber wenn man nur versucht den Mitarbeiter das Lebens schwer zu machen dann leiden viele darunter. Dazu mehr in der kommenden dreiteiligen Serie zum Thema BurnOut …