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Die Kunst kein Egoist zu sein

Heute möchte ich mal wieder über ein Buch sprechen. Und zwar geht es um Die Kunst, kein Egoist zu sein: Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält von Richard David Precht. Das Buch bezieht sich im Titel auf ein sehr viel älteres Buch: Die Kunst, ein Egoist zu sein: Das Abenteuer, glücklich zu leben, auch wenn es anderen nicht gefällt von Josef Kirschner. Das Buch von Kurschner ist schon 1976 erschienen.

Worum geht es?

Die Frage, die sich die Menschen immer wieder stellen ist, ob wir von Grund auf böse oder gut sind. Woher stammt die Moral als Grundlage unseres Lebens? Warum handeln manche Menschen altruistisch, wenn die Soziobiologen behaupten wir handeln nur nach dem Motto „Nahrung und Paarung“? Das Buch von Kirschner dient Precht nur als Auftakt in das erste Drittel des Buches. Und nur dieses möchte ich zunächst besprechen.

Wie immer entwickelt Precht aus seinem philosophischen Fundus die Wandlung der Begriffe im Lichte der Zeit. Angefangen von Plato, der sich über das Gute seine Gedanken machte, über die Stoiker, die alles einfach nur ertragen wollten, bis in die aktuelle Zeit, in der wir darwinistisch betrachtet mehr oder minder als zufälliges Produkt auf dieser Welt sind und deshalb alles irgendwie sinnlos ist (Satre und der Existensialismus).

In den letzten Jahren wird unser Denken in dieser Richtung stark von Naturwissenschaften verändert. Wir müssen zuerkennen, dass so etwas wie moralisches Handeln schon bei unseren nächsten Verwandten im Tierreich, den Affen, zu beobachten ist. Und mit Nahrung und Paarung als Leitlinie allen Handelns, wie einige Soziobiologen es gern erklären würden, kommt man auch nicht weiter.

Denn wenn die Sicherung der Grundexisitenz steht, die immer sehr egoistisch getrieben ist, dann machen wir Menschen alles Mögliche und das folgt keinem struktuierbaren Handlungsschemata. Ein solches paradoxes Beispiel ist, wenn wir Trinkgeld auf einer Reise geben in einem Restaurant, dass wir mutmasslich nie wieder besuchen werden (können) und wenn wir nach Jahren wiederkommen wird vermutlich die Bedienung gewechselt haben.

Wer steuert eigentlich wen?

Precht geht es aber nur um die Frage inwieweit wir uns von dem Guten leiten lassen und zählt dazu eine Reihe beeindruckender Experimente auf, die zeigen, dass höherentwickelte Lebewesen und besonders der Mensch auf Zuneigung und Zuspruch angewiesen ist.

Ich selbst finde, Precht hat sich hier etwas in seinem Wunschdenken ein philosophischen Kokon gewoben, aus dem er nicht mehr raus kommt und wohl auch nicht will. Richtig ist, dass unser Handeln von einer Eigenmotivation getragen ist. Ob es eine Mutter Theresa war, die in Slums von Klakutta sich um die verwahrlosten Kinder kümmert, eine Jane Godall, die mit Hingabe das Verhalten von Affen studiert und uns darüber unterrichtet oder ob ein Studiumsabbrecher wie Bill Gates so fasziniert von Software ist, dass über das Erstellen und Verkaufen es zum reichsten Mann der Well bringt, immer gibt es etwas was uns antreibt und wenn es erfolgreich ist, dann machen wir weiter.

Dieser Motivationsmechanismus liegt in der Veranlagung aller höheren Lebewesen auf der Welt. Er ist per sé weder gut noch böse, weder altruistisch noch kommerziell. Fakten sollte man immer von Bewertungen trennen, dass erleichtert Vieles. Ob unsere Handlungen moralisch, altruistisch, lukrativ oder sonstwas sind ist in unserem Handeln immer mit eingepreist, denn wir wägen unser Handeln ständig ab. Immer, und da stimme ich Precht zu, ringen Gefühl und Vernunft miteinander – manchmal herscht Einigkeit und manchmal muss die Vernunft uns eben das nächste Bier ausreden, dass uns gefühlsmässig noch fehlt.

Ebenso wie unser eigenes Abwägen zwischen Gefühl und Vernunft kommt es zusätzlich zu einem Abwägen der Anderen, die unser Handeln dann ebenso bewerten. Unser Handeln hat immer einen (für uns) guten Grund. Im Lichte der Nachbetrachtung mag sich das manchmal ändern. Gut geht uns nur, wenn diese Betrachtung Bestand hat.

Was an dem Buch von Precht gut ist, dass sein erster Teil mit der Erkenntnis schließt, dass wir Menschen eher ein Lebewesen ist, das auf Andere angewiesen ist. Dieser soziale Mechanismus ist unser größtes Korrektiv. Auch wenn der Mechanismus etwas schwerfällig ist weil es vor allem langfristiges Denken nicht berücksichtig. („Verbrennen wir nicht gerade in weniger als 200 Jahren alle fossilen Brennstoffe?“)
Als soziales Wesen sind wir auf die Anderen angewiesen. Weihnachten mag uns da manchmal das Gegenteil lehren. Wenn alle dauernd zusammen sind, dann entsteht auch Reibereien. Aber vergessen wir dabei nicht, dass dieses Fest auch viele wieder zusammenbringt und wieder mehr zusammenschweißt.

Die Kunst, kein Egoist zu sein: Warum wir gerne gut sein wollen und was uns davon abhält von Precht geht in seiner gesellschaftlichen Analyse noch über weitere zwei Teile, die ich in einen weiteren Blog beschreiben möchte. Das Buch ist auf jeden Fall etwas um es Last minute als Weihnachtslektüre zu besorgen.

Damit schließe ich meinen Blog für 2010 – den versprochenen Blog über das Persönlichkeits-Panorama hat meinem Qualitätsstandard noch nicht gereicht und kommt dann in 2011.
Den Leser meines Blogs wünsche ich ein geruhsames Fest und ein erfolgreiches Jahr 2011.

Mitdiskutieren könnt Ihr wie immer aus Facebook .

Sind Menschen fair?

Ein Experiment: Zwei Personen die sich nicht kennen werden zu einem Spiel eingeladen. Einer der beiden bekommt vom Spielleiter 10 €. Seine Aufgabe ist es dieses Geld so zu aufzuteilen, dass der Andere mit der Entscheidung einverstanden ist. Natürlich dürfen die beiden das nicht aushandeln. A muß entscheiden wieviel B bekommt. Die zweite Regel: Wenn B nicht einverstanden ist mit der Verteilung, dann verlieren beide das Geld. Ansonsten können sie es mitnehmen.

Der Mensch ein rationaler Egoist?

Homo homini lupus – sagen die Pessimisten unter den Menschen (in etwa: der Mensch ist des Menschen Feind). Adam Smith, einer der Urväter der Volkswirtschaftslehre würde sagen: wenn jeder an sich denkt ist an jeden gedacht. Der Homo oeconomicus würde also als A nur einen kleinen Betrag hergeben. Schon wenn der Andere (B) 1 Cent bekommt, dann hätte er mehr als vorher und würde wohl oder übel zustimmen. So würde das nach der reinen Lehre des rationalen Egoismus laufen.

Aber das Expierment geht anders aus: Angebote unter 30% (also weniger als 3 Euro) wurden in der Regel von B abgelehnt, obwohl beide dann leer ausgehen. Die Mehrheit entscheidet sich aber bei diesem Spiel von sich aus für 50/50 und das wird in der Regel immer vom Anderen akzeptiert. Der erste Einwand mag lauten: 10 € ist nicht viel Geld. Schon in den 90er Jahren wurde das Spiel mit größeren Geldsummen (bis zu 3 Monatseinkommen) mit russischen Studenten gespielt – mit dem gleichen Ergebnis.

Ist der Mensch nun fair, edel, hilfreich und gut?

Zunächst ist zu sagen, dass nicht alle 50/50 vorgeschlagen haben. Es ist nur ein statistisches Ergebnis. Traue Deinem Nächsten? Nur etwa 40% zeigten Fainess. Wer zufällig an einen der Anderen (ca. 60%) gerät, muß mit einer gewissen Unfairness rechnen. Und natürlich ist eine Laborversuch immer eingeschränkt. Der Spielleiter schaute ja schließlich zu um das Ergebnis zu dokumentieren. Ob das anders so genauso wäre? Was wenn zwei Personen gelichzeitig 10 € finden. Würden Sie dann teilen oder sich streiten, wer es zuerst gefunden hat und es behalten darf?

Was bringen dann solche Experimente?

Gerade die Neurowissenschft ist heute auf einem Stand kindlicher Entdeckungsreisen. Mit den neuen bildgebenden Verfahren (fMRT) kann man dem Hirn beim Denken zusehen. Eigentlich kann man nur sehen, welche Bereiche im Gehirn aktiv sind. Und diese Bereiche sind auch bei jedem Menschen im Gehirn immer an der gelichen Stelle. Bei diesem Experiment sind zwei Bereiche aktiv: eines ist der Bereich der für rationale Entscheidungen zuständig ist (also der Teil der B sagt: „Nimm das Geld. Egal wie viel. Besser als garnichts.“ und der andere ist ein Bereich, der bei jeweder Form von Schmerz aktiv wird (egal ob physischer oder psychischer Schmerz). Wenn wir weniger als die Hälfte bekommen, dann führt diese Ungerechtigkeit zu einem Schmerzemfinden. Überwiegt unser emotionales Schmerzemfinden, dann lehnen wir ab – überwiegt die rationale Überlegung, dann nehmen wir an. Dieses inneren Ringen sollte niemanden überraschen. Einzig, die Meßbarkeit macht dieses Ringen im Kopf sichtbar. Langfristig hofft man natürlich auf Modelle, die im Kopf die Vorgänge klarer machen. Ein kleines Beispiel was uns die Neurowissenschaft schon heute helfen könnte kommt im meinem nächsten Blog: Diskussion und Talkabende