Optimismus

„Always look on the bright side of life“ – Schau immer nur auf die gute Seite des Lebens – eigentlich ein völlig unnötiger Hinweis von Monty Python. Denn statistisch gesehen sind wir alle Optimisten. Wir alle kennen die Scheidungsraten und trotzdem bewerten die meisten Verheirateten die Wahrscheinlichkeit ihrer eigenen Scheidung als 0%.

Der Optimismus Bias

Befragt man Menschen auf der ganzen Welt, dann stellt sich heraus, dass ca. 80% ihre eigenen Möglichkeiten optimistischer einschätzen als der Durchschnitt. Wir sind bessere Autofahrer. Wir glauben, dass wir weniger oft krank werden. Unser Kinder werden besser sein. Und selbst geschiedene Menschen beurteilen die Wahrscheinlichkeit, dass die neue Ehe geschieden wird mit 0%. „Noch einmal heiraten ist der Triumph der Hoffnung über die Erfahrung.“ Diesen Satz zitiert Tali Sharot in ihrem Buch „The Optimism Bias: Why We’re Wired to Look on the Bright Side„. Bei Annahmen über unser Leben sehen wir uns im Durchschnitt besser als der Durchschnitt – das ist natürlich statistisch unmöglich.

Ist Optimismus gut für uns?

„Das Geheimnis der Zufriedenheit ist eine niedrige Erwartung.“ Diese Regel klingt zwar logisch, ist aber in wissenschaftlichen Experimenten widerlegt. Es gibt drei Gründen warum uns der Optimismus besser steht: (1) Es kommt auf die Interpretation an, mit der wir das Ereignis sehen. Optimistische Studenten sind zufrieden, wenn sie eine gute Note schreiben („ich kann es eben“) und bei einer schlechten Note sehen sie das Problem in dem unfairen Test. Wer mit schlechten Noten rechnet sieht sich bestätigt („ich kann es nicht“) und wenn die Note besser ist, dann war der Test zu leicht.  (2) Erwartungen machen uns zufrieden. Man hat  Studenten gefragt, wieviel sie zahlen würden um von einem von Ihnen bewunderten Star einen Kuss zu bekommen und zwar, wenn sie den sofort, in ein paar Stunden, in drei Tagen, in Wochen, Monaten oder einem Jahr bekommen. Am meisten wollten die Studenten zahlen, wenn der Kuss in 3 Tagen erfolgte. Diese und andere Versuche stützen die Theorie, das die Vorfreude eben doch auch eine große Quelle der Freude ist. (3) Optimismus verändert nicht nur die subjektive, sondern auch die objektive Wirklichkeit. Optimismus ist die Vorraussetzung für Erfolg. Egal ob Politiker, Sportler, Manager, … Erfolg entsteht aus einer optimistischen Grundhaltung. Es ist kein Garant für Erfolg, sondern viel mehr eine Voraussetzung.

Tali Sharot hat sich in ihren Versuchen auch gefragt, warum Menschen optimistisch bleiben. So hat sie beispielsweise Probanden befragt, wie hoch sie für sich selbst die Gefahr sehen an Krebs zu erkranken. Im Anschluss hat man den Probanden die statistisch richtige Zahl gesagt und dann nochmal gefragt, wie sie ihr eigenes Risiko einschätzen. Das Ergebnis war verblüffend. Hat jemand sein Risiko zu hoch geschätzt (50% statt des statistischen Wertes von 30%), dann schätzen diese beim nächsten Mal nahe dem Wert ein (beispielsweise 35%).  Hat jemand sein Risiko beispielsweise  bei 10% gesehen und wurde mit dem statistischen Wert (30%) konfrontiert, dann änderten sie die Werte für die eigene Gefährdung nur gering (z. B. auf 11%). Es ist nicht so, dass diese Probanden die Statistik nicht verstanden haben. Sie haben lediglich positive Nachrichten stärker genutzt um ihre pessimistische Einschätzung zu korrigieren und die negative Nachricht nicht zu sehr auf sich bezogen.

Man hat in Experimente zwei Bereiche im Gehirn identifiziert (Gyrus frontalis inferior) und festgestellt, daß schlechte Nachrichten auf der rechten Seite bearbeitet wurden und gute auf der linken und das die linke Seite besser arbeitete. Aber es bleibt natürlich die Frage: Ist Optimismus gut für uns? Wenn man diesen Über-Optimismus abschalten könnte (und das Team hat das experimentell sogar kurzzeitig geschafft), wäre das nicht besser für uns? Befragt man Feuerwehrleute, wieso sie sich bei einem Brand so sehr in Gefahr begeben haben, dann kommt die Antwort: „Wir hatten nicht damit gerechnet. “ Anders gesagt, man ist zu optimistisch an die Sache heran gegangen. Und solche Ereignisse fliegen uns immer wieder um die Ohren. Denken wir an die Finanzkrise oder an eigene Risiken, die wir eingehen, weil wir glauben, uns könnte so etwas nicht passieren.

Auf der anderen Seite ist der Optimismus unser Antrieb gerade etwas zu riskieren und damit etwas zu schaffen, was Andere nicht für möglich gehalten haben. Wir würden heute noch nicht fliegen, wenn die Gebrüder Wright und einige andere verwegene Bastler nicht optimistisch gewesen wäre, dass so ein Ding fliegen kann.

Realistischer Optimismus?!

Wir brauchen unseren Optimismus um erfolgreich zu und wir müssen aufpassen nicht zu risikofreudig auf jeden Optimismus zu reagieren. Aber selbst wenn Sie jetzt diesen Blog-Eintrag gelesen haben, wird das ihren Optimismus nicht zerstören (vorausgesetzt, sie gehören zu den 80% die optimistischer sind). Wir bleiben in unserer Grundhaltung weiterhin hoffnungsvoll und optimistisch. Das Wissen, dass Tali Sharot in ihrem Buch verbreitet (und ich jetzt in diesem Blog) kann uns aber helfen unrealistischen Optimismus besser auszusortieren oder besser darauf zu reagieren. Deshalb sollte man eben zur Vorsorgeuntersuchung gehen, auch wenn man meint nicht krank zu werden. Deshalb ist es besser etwas auf der hohen Kante zu haben auch wenn man sich seines Jobs sicher ist. Deshalb schließen wir die ein paar Versicherungen ab (die wir nie benötigen und die vor allem dann hoffentlich funktionieren, wenn es doch mal so wäre).

Ein guter Kollege hat mal zu mir gesagt: „Versuch immer nach den Sternen zu greifen und pass auf das Du dabei nicht den Boden unter den Füssen verlierst.“

PS: Nachdem ich das Buch gelesen habe und im Internet gesurft habe, habe ich eine gute Zusammenfassung des Buchs auf der TED Konferenz gefunden: Tali Sharot: The optimism bias (in englisch). Das Buch ist da deutlich ausführlicher.