Burnout – Wir bezahlen nach Leistung

Burnout verursacht ständig steigende Kosten und ist zunehmend eine Gefahr für jeden Leistungsträger und für das Unternehmen. In diesem Dokument werden entscheidende Faktoren benannt: Die Arbeitsverdichtung, die Mitarbeiteromnipräsenz und Leistungsbeurteilung. Leistungsbeurteilungen sind in vielen Unternehmen üblich. Das Herunterbrechen hierarchisch gestaffelter Ziele über Unternehmensgruppen und Abteilungen bis auf den einzelnen Mitarbeiter ist ein probates Mittel der Unternehmensführung. In Verbindung mit der Tatsache, dass dabei in jeder Abteilung auch immer eine Rangordnung der Leistungsträger gefordert wird kommt es immer wieder zu Diskussionen um die Leistung.

Dieser Artikel erläutert vor allem warum es zu Konflikten im Unternehmen an der Nahtstelle dieser Leistungsbeurteilung kommt, benennt die Folgen und zeigt Wege auf, wie man in dieser, für Mitarbeiter zuweilen als existenziell empfundenen, Krise helfen kann.

Leistungspseudotransparenz

Warum lässt man also diese Erreichbarkeit zu? „Der Kollege macht das auch.“ Ist da eine häufige Antwort. Und der Kollege ist eben auch ein Maßstab für die eigene Leistungsbereitschaft. „Mache ich das nicht, dann könnte mein Chef mir das schlecht auslegen.“ Und abgerechnet wird das dann in der Leistungsbesprechung (neudeutsch: Review).

Wie alles beginnt
Besprechung mit dem Chef. Wie immer, so alle 4-6 Wochen (wenn das Gespräch nicht so oft ausfallen würde) gibt es diese Zwischengespräche. Zwischen was? Na ist doch klar; zwischen den halbjährlichen Beurteilungsgesprächen.

„Na Meier, wie geht es denn so im Business?“
„Sie wissen doch, die Vertrags-Unterzeichnung mit der XYZ AG verzögert sich.“
„Nein, ich dachte, das sei alles unter Dach und Fach!“

Was nun folgt, dass passiert in Personalgesprächen in den deutschen Unternehmen tagtäglich. Es beginnt eine Diskussion über Leistung, neudeutsch auch Performance genannt.

Um nicht missverstanden zu werden: es geht nicht um den Sinn von Einzelzielen. Ein Unternehmen tut gut daran seine Unternehmensziele hierarchisch über Abteilungen bis runter zum einzelnen Mitarbeiter zu definieren. Das ist ein völlig legitimes und auch probates Führungsmittel. Hier geht es nur darum, mehr Licht in die Tatsache zubringen, dass diese Art der Mitarbeitergespräche der Startpunkt ist zur Vernichtung von Talenten und der Vernichtung von Unternehmenswerten ist.

Die Diskussion eskaliert. Der Mitarbeiter zeigt sich „uneinsichtig“. Der Vorgesetzte nimmt ihn (oder sie ) hart an die Kandare. Der Mitarbeiter erkrankt daraufhin nicht selten, denn Streit schwächt das Immunsystem.
Wo ist liegt das Problem? Manchmal ist der Mitarbeiter einfach mal am falschen Platz. Ein Archetyp dafür ist Troubadix, der Musiker aus Asterix und Obelix, der sich partout für gut hält. Und manchmal ist der Vorgesetzte ungeeignet die Situation gut einzuschätzen, wie der Vorgesetzte von Dilbert (nur pointy haired boss genannt) aus dem gleichnamigen Cartoon. Und manchmal sind es Missverständnisse, die da eskalieren. Meistens ist es eine Mischung aus vielen solcher Faktoren.

Eine Gauß-Normalverteilung mit Konsequenzen

Auch wenn man über das Runterbrechen von Zielen prinzipiell keine Kritik äußern kann, über die Art, wie beurteilt wird bzw. werden muss, ist natürlich schon etwas zu sagen. Statistisch bildet Leistung immer eine Gauß-Glockenkurve, d.h. in der Mitte gibt es viele mit durchschnittlicher Leistung und an den Rändern findet man die Top-Performer auf der einen und die Low-Performer auf der anderen Seite – die „Leistungsträger“ und die „Faulpelze“. Das gilt schon in der Schule so, wo sich die Noten entsprechend verteilen . Und das bedeutet: jeder Vorgesetzte muss immer Ausschau halten, wer im Team als Träger der roten Laterne infrage kommt. Um zu verstehen, warum und wie der Manager zu dieser „Ehre“ kommt, muss man ein Gesetz verstehen:

Es geht nicht um Leistung!

„Wir bezahlen nach Leistung.“ Das Credo hört man oft. Aber das ist eigentlich nicht korrekt. Praktisch kein Unternehmen zahlt nach Leistung, wenn es sich um Informationsarbeit im weitest gehenden Sinne handelt (also keine Stücklohnarbeit). Immer wenn Ziele individualisiert werden müssen, geht es nicht mehr um objektive Leistung, sondern um die subjektive Wahrnehmung von Leistung – und das ist ein gewichtiger Unterschied.
„Jeder Mitarbeiter hat sein eigenes Aufgabengebiet und klare, abgestimmte Ziele.“

Natürlich helfen Zahlen Ziele zu objektivieren. Aber wer kennt das nicht: schwierige Kunden sind all zu oft eine gute Erklärung, warum der Leistungsträger zwar alles gegeben hat, die Zahlen aber nicht zu schaffen waren und er trotzdem die gute Beurteilung bekommt. Und aus eigener Anschauung kenne ich Fälle, wo ein vermeintlicher Low-Performer seine Ziele übererfüllt hat, „aber die Verträge sind ihm doch quasi in den Schoss gefallen“ und natürlich nur durch das beherzte Eingreifen des Vorgesetzten entstanden.

Es geht um Wahrnehmung von Leistung

WahrnehmungUm es nochmal klar zu stellen: es geht nicht darum ein System zu verteufeln. Vielmehr geht es um die Auswüchse, die entstehen, wenn man subjektive Wahrnehmung von Leistung mit objektiver Leistung verwechselt. Objektive Leistung benötigt nur ein eindimensionales System (wie viel Leistung bis wann?) Wahrnehmung von Leistung hat mindestens zwei Dimensionen: Fremd- und Eigenwahrnehmung. In dem Diagramm wird der Zusammenhang deutlich. Am Anfang einer Karriere, wenn ein neuer Vorgesetzter beginnt oder der Mitarbeiter seinen Job neu angetreten hat, dann lässt sich noch keine Leistung wahrnehmen. Idealerweise sollte die Wahrnehmung kohärent bei beiden Parteien steigen. Für gewöhnlich findet die Diskussion um Leistungs-wahrnehmung im dunkelmarkierten Bereich statt und dann ist alles in Ordnung.

Die Probleme beginnen rechts unterhalb der dunkelmarkierten Zone, wenn die Eigenwahrnehmung der eigenen Leistung deutlich besser ist, als die Fremdwahrnehmung durch den Vorgesetzten. Während man im markierten Bereich noch gegensteuern kann, indem man seine Sichtbarkeit erhöht („Tu Gutes und sprich drüber“), ist darunter ein gewisses Maß der Verhärtung der Fronten geschehen. Da werden die Kollegen der Abteilung unbewusst instrumentiert, der Betriebsrat oder/und die Personalabteilung eingeschaltet. Spätestens jetzt geht es immer auch um das Ego der Beteiligten. Das Ganze schlägt dann endgültig auf die Gesundheit.

Laut dem Gesundheitsreport 2010 der BKK fielen 168 Fehltage pro Kalenderjahr je 100 Versicherte aufgrund einer psychischen Erkrankung aus. Das ist bei 100 Mitarbeitern mehr als eine ¾ Stelle. In der IT-Branche sind es zwar „nur“ 122 Fehltage. Diese machen aber über 14% der gesamten Fehltage aus (Durchschnitt 10,7%). Und das ist womöglich nur die Spitze eines Eisberges. In einer Umfrage, die in dem Report ebenfalls veröffentlicht wurde, hat man die IT-Industrie noch mal genauer unter die Lupe genommen. 44,5% der Befragten klagten über psychische Probleme, aber nur 7,4% verursachten Fehlzeiten – das ist nur jeder Vierte, von denen, die über psychische Probleme klagten.

Im dritten Teil geht es um Lösungen